Analyse

Braucht es wirklich eine zusätzliche Steuer auf Fleisch?

Eine Steuer auf Fleisch soll den Konsum senken ©Becerra Govea/ pexels
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Grundsätzlich sind die Dinge weithin bekannt. Oder besser gesagt – die Hebel. Die Hebel, welche umgelegt werden müssen, um die Folgen der Klimakrise einzudämmen. Doch wie häufiger im Leben bedeutet das theoretische Wissen nicht immer auch ein Umsetzen von diesem. Das zeigt sich auch in der Höhe des Fleischkonsums. Denn die Fleisch- und Milchindustrie gehört bisher, vor allem durch die Massentierhaltung, zu den größten Treibern der Erderhitzung. Große Mengen an Treibhausgasemissionen entstehen hier – vor allem durch die Viehzucht, aber auch die Produktion und den Transport von Vieh und Futtermitteln. In der EU war die Landwirtschaft im Jahr 2019 laut Angaben des Europäischen Parlaments für mehr als 10 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Dabei ist der Tierhaltungssektor laut EU-Kommission für einen Großteil der landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen verantwortlich.

Hohe Fleisch- und Milch-Emissionen machen Alternativen-Bedarf deutlich

Konsum von Fleisch weiterhin hoch

Auch wenn der Fleisch-Alternativenmarkt rasant wächst, sinkt der Konsum in kaum erwähnenswerter Weise. So lag der Pro-Kopf-Verbrauch von Fleischprodukten in Österreich bei 60,5 Kilogramm im Jahr 2020, zeigen Daten der Statistik Austria und dem AgrarMarkt Austria (AMA). Damit unterscheidet sich der Wert nur geringfügig vom letzten Jahr, mit 62,6 Kilogramm oder dem Pro-Kopf-Verbrauch von vor zehn Jahren mit 66 Kilogramm in 2010.

Ein internationales Forschungsteam kam nun zu dem Schluss: Wer nicht hören will, muss fühlen, zumindest im übertragenem Sinne. Forschende der University of Oxford, des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und der Technischen Universität Berlin (TU Berlin) haben in einem gemeinsamen Paper die Auswirkungen einer Umweltsteuer auf Fleisch in Ländern des globalen Nordens, wie dem Vereinigten Königreich, den USA und Australien untersucht. Den Ausführungen nach, sollte sich der Produktpreis durch die Steuer um bis zu 20 – 60 Prozent erhöhen.

Eine Preiserhöhung über 60 Prozent? Klingt gewaltig und würde höchstwahrscheinlich zu einem deutlich größeren Einbruch des Konsums führen, als es die letzten Jahre der Fall war. Genau darum geht es ja auch. Denn grundsätzlich geht es ja nicht darum, dass Fleisch zu „verteuern“, sondern den Preis so zu erhöhen, dass es zu einer entsprechenden Kostenwahrheit kommt. Denn laut den Forschenden bildet der Fleischpreis nicht die Umweltbelastungen ab, welche durch die weltweite Viehzucht verursacht werden. „Fleisch sei zu billig“, so die Forschenden.

 

Kostenwahrheit gefordert

Auch das dürfte für die wenigsten eine tatsächliche Überraschung sein. Im Billigfleischsektor sind die Kilopreise zum Teil dermaßen niedrig, dass sich eine Kostenwahrheit ausschließt. Im September 2020 erweckte ein deutscher Supermarkt mit einer Aktion große Aufmerksamkeit. Pünktlich zu der Eröffnung des „ersten Nachhaltigkeits-Erlebnismarktes“ des Discounters Penny, eine Kette der Rewe, in Berlin gaben diese bekannt, dass sie in Zukunft die „wahren Kosten“ von einigen der verkauften Produkte ausweisen wollen. Neben den normalen Preisschildern sollen zusätzliche Schilder die „wahren Kosten“ von einigen Lebensmitteln anzeigen, in welchen dann die Auswirkungen der Produktion auf die Umwelt eingerechnet sind: Treibhausgas-Emissionen, Überdüngung, Energiebedarf.

Dafür hat die Supermarkt-Kette die Universität Augsburg damit beauftragt, diese zusätzlichen Kosten für acht Eigenmarken-Produkte zu berechnen. Diese wären dann deutlich höher. Bezahlt werden müssen diese Zusatzkosten allerdings nicht. Es handelt sich lediglich um eine Information an die Kund:innen.

Berliner Supermarkt zeigt Kosten für Umweltschäden am Preisschild an

Deutlich höhere Preise notwendig

Somit wieder einmal mehr Wissen über eine Thematik, die eh schon vielen bekannt ist, aber keine tatsächliche Aktion einfordert. Der Ansatz der Forschenden der drei Universitäten des PIK, der TU Berlin und der University of Oxford haben da einen deutlich pro aktiveren Zugang. So „plädieren“ die Autor:innen Franziska Funke und Linus Mattauch sowie ihre Mitautorinnen und Mitautoren des an der University of Oxford entstandenen Papers „Is Meat Too Cheap? Towards Optimal Meat Taxation“ für eine Fleischsteuer. Die notwenige Höhe haben sie mithilfe von Modellrechnungen für einen wahren Fleischpreis ermittelt.

„Es gibt Hinweise darauf, dass die Umweltauswirkungen so groß sind, dass die Welt die Klimaziele nicht erreichen und lebenswichtige Ökosysteme nicht erhalten kann, ohne den Fleischkonsum zu reduzieren – zumindest in den westlichen Ländern mit hohem Einkommen“, so Linus Mattauch vom Institute for New Economic Thinking an der Oxford Martin School und der TU Berlin, „Das bedeutet zwar nicht, dass die Menschen ganz auf Fleisch verzichten müssen, aber die künftige Ernährung müsste mehr pflanzliche Proteine enthalten, vielleicht auch neuartige Fleischersatzprodukte. Neben anderen Maßnahmen könnten Verbrauchssteuern auf Fleisch ein wichtiger Hebel sein, um Anreize für diesen Übergang zu schaffen“.

Laut den Modellrechnungen müsste der durchschnittliche Einzelhandelspreis für Fleisch in Ländern mit hohem Einkommen je nach Haltungsbedingungen um 35-56 Prozent für Rindfleisch, 25 Prozent für Geflügel und 19 Prozent für Lamm- und Schweinefleisch steigen. Dann wären die Umweltauswirkungen ihrer Produktion widergespiegelt, so die Forschenden. Allerdings könnte eine tatsächliche Kostenwahrheit auch noch höhere Preise bedeuten, denn laut den Angaben der Autor:innen sei das nur eine „erste Berechnung“. Schäden, die durch den Verlust der biologischen Vielfalt, die negativen Auswirkungen des Fleischkonsums auf die Gesundheit des Menschen und den Tierschutz entstehen, seien nicht einberechnet.

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Steuer-Einnahmen zurück führen

Doch ein wichtiger Punkt darf bei solchen Überlegungen nicht vergessen werden. Höhere Produktpreise betreffen die Konsument:innen nicht in gleicher Weise. Je nach finanziellem Hintergrund, würden einige mehr an dem Konsum gehindert, als andere. Das würde die soziale Ungleichheit erhöhen.

Das ist auch den Forschenden bewusst. Daher führen diese einen Vergleich zu der in Deutschland Anfang 2021 eingeführten, in Österreich ab Juli 2022 geplanten CO2-Steuer an. So sollten die Einnahmen aus der Steuer genutzt werden, um sie wiederum zur Finanzierung von besseren Haltungsbedingungen und zur Kompensation von einkommenschwachen Haushalten zu nutzen, so Mattauch: „Die gesellschaftliche Unterstützung für ökologische Steuerreformen hat sich in der Vergangenheit als erfolgreich erwiesen, wenn die Einnahmen gezielt für die Entschädigung der am stärksten Betroffenen verwendet wurden.“

Ein weiterer möglicher Vorteil: Angleichung der Verhältnisse. So würde eine Verbrauchssteuer den heimischen Fleischproduzent:innen mehr Chancengleichheit verschaffen, führen die Forschenden in dem Paper an, da so ein Unterbieten durch Anbieter:innen aus Ländern mit geringeren Umweltauflagen unterboten würde.

„Ohne Steuer wird es nicht gehen“

Ein abschließendes Resümee: Fakt ist, dass der Pro-Kopf-Verbrauch von Fleischprodukten zur Erreichung der Treibhausgasziele sinken muss und auch die Haltungsbedingungen der industriellen Landwirtschaft zumeist nicht nachhaltig sind. „Ohne eine Steuer auf Fleisch wird es nicht gehen“, so die Überzeugung von Mattauch.

Aber: eine deutliche Preiserhöhung, welche vor allem den Privatsektor betrifft, ist natürlich nicht die alleinige Lösung, selbst wenn die Mehrkosten kompensiert werden. So wird die Akzeptanz schwierig werden, wenn andere emissionsreiche Bereiche aus Industrie und Wirtschaft, zumindest augenscheinlich, kaum reglementiert sind. Trotzdem sind die Forschenden überzeugt, durch diesen Weg einen wichtigen Klimahebel umlegen zu können. Und außerdem: am Ende geht es ja nicht um eine unverhältnismäßige Preiserhöhung, sondern der Anerkennung des eigentlichen Wertes der Produkte.

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