Gastbeitrag

Anyline-CEO Lukas Kinigadner: „Im Jahr 2016 haben wir die Notbremse ziehen müssen“

Anyline-Chef Lukas Kinigadner. © Anyline
Anyline-Chef Lukas Kinigadner. © Anyline

Fast 2 Millionen Euro Investment in der Tasche, 30 Mitarbeiter, namhafte Investoren wie Hansi Hansmann und Hermann Hauser – doch die Umsatzziele wurden einfach nicht erreicht. Ende 2016 ist das 2013 gegründete Wiener Startup Anyline, das sich auf optische Texterkennung (OCR) spezialisiert hat, durch eine harte Zeit gegangen, in der viel Lehrgeld bezahlt werden musste. In einem Gastbeitrag gibt Anyline-Chef Lukas Kinigadner jetzt Einblicke, wie die Firma, die knapp vorm Scheitern stand, noch einmal gerettet und neu aufgestellt wurde:

Zuerst waren es die eigenen Freunde, die sich von der Geschäftsidee begeistern ließen, danach die Investoren. Auf die ersten Schritte der Unternehmensgründung folgte schnelles Wachstum, über dessen Geschwindigkeit wir als Gründer so begeistert waren, dass wir uns nicht die Zeit nahmen, einen Schritt zurück zu treten und langfristiger zu denken. Im Jahr 2016 haben wir für Anyline die Notbremse ziehen müssen. Plötzlich musste ganz schnell den Startup-Kinderschuhen entwachsen und ein richtiges Unternehmen auf die Beine gestellt werden.

Aber wie baut man eine junge Firma nach so schmerzhaften Erfahrungen wieder auf?

Das Beste aus beiden Welten

Klar war, dass wir kampflos nicht aufgeben würden. Aber auch, dass wir nicht weitermachen konnten wie bisher. Wir beschlossen also gemeinsam eine Planänderung und besannen uns unserer Stärken und Schwächen. Der unschlagbare Vorteil der Startups gegenüber Unternehmen der „Old Economy“ ist ihre innere Agilität. Sich schnell an den Markt und sich wandelnde Bedürfnisse der Zielgruppe anpassen zu können, sollten junge Unternehmen sich also immer beibehalten. Wichtig ist nur, die Startup-Mentalität nicht überzubewerten.

Aus ökonomischer Sicht hilft alle Startup-Lässigkeit nicht weiter, weil einzig und allein die nachhaltig erfolgreiche Platzierung des eigenen Produkts am Markt zählt. Wenn also intern die Startup-Wurzeln des jungen Unternehmens gepflegt werden und man nach außen mit einem krisenfesten Business Model gut aufgestellt ist, kann die Firma auch aus einer Krise gestärkt hervorgehen.

Anyline-App beim Ablesen des Stromzählers. © Anyline
Anyline-App beim Ablesen des Stromzählers. © Anyline

Experten ins Boot holen

Bei der Umsetzung der Planänderungen hat es in unserem Fall sehr geholfen, externe Mentoren mit einzubeziehen. Wir haben von ihrer Expertise wirklich profitiert. An der Gründung unbeteiligte Experten können von außen die Situation der Firma aus einer unbefangeneren Perspektive überblicken. Schwachstellen erkennen sie oft auf den ersten Blick, womit die Stellschrauben entsprechend schnell justiert werden können, bevor sich das Startup in die nächste Misere manövriert. Wichtig war hier für uns besonders, sich nicht auf die Füße getreten zu fühlen, weil sich jemand in die Führung der eigenen Firma „einmischt“.

B2B Sales professionalisieren

Eine Umstellung, die uns sofort sichtbaren Erfolg verschafft und gezeigt hat, dass es wieder aufwärts geht, war die auf Lenkung unseres Fokus auf „Vertical Sales. Durch die Verticals erreichten wir plötzlich eine viel breitere Zielgruppe, die wir vorher gar nicht auf dem Radar hatten. Anstatt sich die Usecases für potentielle Kunden mühsam auszudenken, haben wir einfach direkt gefragt, welche Features ihnen persönlich wichtig wären und dann die passende Lösung dafür entwickelt. Wie vielseitig unsere Zielgruppe und der Nischenmarkt strukturiert sind, haben wir im vergangenen Jahr dadurch ganz neu gelernt.

Das Ziel vor Augen: Feste Kunden gewinnen

Ein weiteres wichtiges Learning für uns war, sich auch schon in frühen Unternehmensphasen vor allem auf Vertragsabschlüsse zu konzentrieren, um schnell feste Kunden zu gewinnen. Mutig sein, direkt an den Kunden herantreten und die Software anbieten für Finetuning des Produkts bleibt auch nach den ersten Verkäufen noch immer genügend Zeit. Vor allem aber erhält man sich als Jungunternehmer so den finanziellen Spielraum (Anyline hat eigenen Angaben zufolge 2017 etwa 200 Prozent mehr Umsatz als im Krisenjahr 2016, zählt nun rund 100 Enterprise-Kunden und will 2018 siebenstellige Umsätze machen, Anm.)

Immer einen Schritt voraus sein

Bei all den Umstellungen und Veränderungen, die wir mit Anyline im vergangenen Jahr durchgemacht haben, halten wir aber an einem fest: Wir sind überzeugt, dass es insbesondere im Softwarebereich von allerhöchster Priorität ist, das Produkt so zukunftsweisend und aktuell wie möglich zu halten. Wer im Strom der abertausenden Startups mitschwimmt, zwar ein cooles Produkt hat, das aber nur so aktuell ist, wie der aktuelle Anwendungsbereich, wird nie aus der Masse herausstechen. Es kommt darauf an, schon jetzt auf dem Level zu arbeiten, an dem sich die Technologien der kommenden fünf Jahre standardmäßig orientieren werden.

Alles in allem haben wir die Firma in den vergangenen 12 Monaten zwar ziemlich umgekrempelt und mithilfe unserer externen Mentoren viel verändert. Unserer ambitionierten Vision, dass jedes Smartphone standardmäßig mit Anylines Technologie zur mobilen Datenerkennung ausgestattet sein wird, hat das aber keinen Abbruch getan. Mit neuen Strukturen agieren wir jetzt motivierter denn je.

Anmerkung: Anyline und Trending Topics haben mit Hansi Hansmann den selben Investor.

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