Interview

AVCO: „Es muss gelingen, dass auch Pensionskassen, Versicherungen und Stiftungen investieren“

Nina Wöss und Thomas Tiroch von der AVCO. © AVCO
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DerDachverband der österreichischen Risikokapitalgeber und Corporate Finance Dienstleister (Austrian Private Equity and Venture Capital Organisation, kurz AVCO) hat seit kurzem eine neue Spitze: Nina Wöss ist die neue Vorsitzende des Vorstands, und Thomas Tiroch mit 1. Februar 2021 die Agenden der Geschäftsführung übernommen (Trending Topics berichtete). Verstärkter Dialog mit der Politik und ein besserer Kapitalmarkt in Österreich sind das erklärte Ziel der beiden, Im Doppelinterview erläutern sie, was sie in den nächsten Monaten und Jahre vorhaben.

Trending Topics: Gratulation euch beiden für die neue Aufgabe. Welches Ziel habt ihr euch nun gesteckt?

Nina Wöss: Wir verstehen uns als die zentrale Anlaufstelle für alle Fragen rund um die Themen Venture Capital und Private Equity, als aktive Networking-Plattform, als Interessenvertretung und als Schnittstelle zu internationalen Organisationen. Das heißt konkret, dass wir uns aktiv für die Weiterentwicklung von Beteiligungskapital in Österreich einsetzen. Unsere Themen für 2021 sind klar gesetzt:

  1. Ausbau der Servicierung für unsere Mitglieder: Die AVCO ist der Know-How-Träger für die professionelle/institutionelle Beteiligungsindustrie und wir wollen den Austausch und die Vernetzung deutlich verstärken
  2. Einforderung der Umsetzung der Maßnahmen zur Stärkung des Kapitalmarkts: Unsere, gemeinsam mit der AAIA und AustrianStartups, erstellte Vision 2025 wurde in weiten Teilen direkt ins aktuelle Regierungsprogramm übernommen. Dieser erfreuliche Umstand war für uns jedoch bloß der Beginn, wir fokussieren auf die Umsetzung unserer vorgeschlagenen Maßnahmen, sowie der sonstigen im Regierungsprogramm erwähnten Maßnahmen zur Stärkung des Kapitalmarktes wie beispielsweise die Implementierung einer SICAV-Fondsgesellschaft.
  3. Eigenkapital: Unter diesem Schlagwort werden gerade viele Ideen zirkuliert. Wir als AVCO wollen hier klare Vorschläge formulieren und auch an die Entscheidungsträger kommunizieren. Auch wenn es dazu unerfreulicherweise eine Krise gebraucht hat, sehen wir es als positiv, dass dem Thema nun die gebührende Bedeutung beigemessen wird.
  4. 20 Jahre AVCO: 2021 ist darüber hinaus auch für uns ein besonderes Jahr – wir werden im Rahmen unserer Jahrestagung am 6. Oktober 2021 unser 20-jähriges Bestehen feiern.

Welche Neuerungen wird es für die AVCO-Mitglieder geben?

Thomas Tiroch: Wie bereits erwähnt steht die Servicierung unserer Mitglieder für uns an oberster Stelle. Neben den angesprochenen Punkten zählt dazu vor allem der Austausch unter den Mitgliedern im Vordergrund. Dahingehend arbeiten wir auch mit anderen Stakeholdern des Ökosystem an neuen Formaten. Ziel ist es, die relevanten Player entlang der Finanzierungskette (Frühphase, Wachstumsfinanzierung, bis hin zum Börsengang) an einen Tisch zu bringen und gemeinsame Themen voran zu treiben.

Wo wird dieses benötigte und eingeforderte Eigenkapital herkommen? Welche bisher unangezapften Quellen gibt es?

Wöss: Quellen für das benötigte Kapital gibt es genügend, und diese sind auch keineswegs unangezapft. Wir sehen die Herausforderung eher darin, dass diese Quellen das Kapital auch in Österreich anlegen können und wollen. Dabei handelt es sich um folgende Gruppen:

  1. Institutionelle Investoren (Pensionskassen, Versicherungen, Banken)
  2. Österreichische Unternehmen
  3. Stiftungen

Wenn Eigenkapital nun wichtiger wird – was bedeutet das für die Fremdkapital vergebenden Banken? Verlieren diese Einfluss in der Wirtschaft?

Tiroch: Eigen- und Fremdkapital haben wirtschaftlich unterschiedliche Funktion in der Kapitalstruktur eines Unternehmens. Grundsätzlich sind die Instrumente komplementär. Daher haben Banken immer schon ein Interesse daran, dass ihre Kunden ausreichend kapitalisiert sind. Historisch haben aber Banken in Österreich (so wie generell in der EU) in der Vergangenheit oftmals die Grenze zwischen Fremd- und Eigenkapital nicht so klar gezogen und sind mit Fremdkapitalstrukturen und Konditionen de facto in EK Risken gegangen. Auch deshalb sind Unternehmen in Österreich oftmals unterkapitalisiert.

Das ist auch mit ein Grund dafür, dass die (Eigen-)Kapitalmärkte EU-weit unterentwickelter als etwa in den USA sind. Seit der Finanzkrise hat der Regulator die Anforderungen für Banken allerdings strenger ausgestaltet – und damit auch die Grenze zwischen EK&FK deutlich klarer gezogen. Damit einhergehend ist das Interesse der Banken an einem entwickelten EK-Angebot deutlich stärker als früher. Wir sind im laufenden Dialog mit den Banken zu unseren Themen und sehen sie als essentielle Partner in unseren Vorhaben. Der Bankensektor wird aber aus unserer Sicht wirtschaftlich in Österreich und der EU weiterhin uneingeschränkt hohe Relevanz haben.

Die Stärkung des Eigenkapitals in österreichischen Firmen ist ein Ziel der Politik, das nun mehrmals formuliert wurde. Wie kann das erreicht werden?

Wöss: Die bereits erwähnte Vision 2025 sowie von uns erarbeitete EK-Konzepte stellen einige Möglichkeiten vor. Große Hebel liegen darin, bessere Rahmenbedingungen für institutionelle und private Investoren zu schaffen. Es muss uns gelingen, dass auch Pensionskassen, Versicherungen und Stiftungen in Unternehmen, deren Wachstum und Innovation investieren. Zwar gibt es vereinzelt sehr positive Beispiele, aber das Gesamtvolumen ist aus volkswirtschaftlicher Sicht zu gering.

Außerdem sollte ein regulatorisches Umfeld geschaffen werden, in dem sich mehr Wagniskapitalfonds ansiedeln. Genauso wie innovative Unternehmen Kapital anziehen, zieht ein entwickelter Kapitalmarkt innovative Unternehmen an. Die Umwegrentabilität für Österreich wäre also signifikant.

In der Aussendung zu eurem Antritt steht, dass ein „funktionierender Kapitalmarkt“ essentiell für die Stärkung des Innovationsstandortes ist. Heißt das im Umkehrschluss, dass es einen solchen noch nicht gibt in Österreich?

Tiroch: Österreich hat einen sehr unterentwickelten Kapitalmarkt. Historisch besteht eine sehr hohe Abhängigkeit der Unternehmen vom Bankensektor – und dies im Gegensatz zu den USA. Die wirtschaftliche Bedeutung von tiefen Kapitalmärkten ist deshalb so relevant, weil sich mehr Unternehmen über die Kapitalmärkte finanzieren können als über Banken. Diversifizierte Zugänge zu Kapital fördern Innovation – Wachstum und last but not least die Stärke einer Wirtschaft.

Besonders nach Wirtschaftskrisen erholen sich erwiesenermaßen Länder mit hoch entwickelten Kapitalmärkten deutlich schneller. Deshalb unterstützen wir ganz bewusst – und wie wir meinen im Interesse der gesamten österreichischen Volkswirtschaft – die Entwicklung und den Ausbau des börslichen aber auch des außerbörslichen Kapitalmarktes. Österreich muss aber natürlich auch auf Investorenseite (Stichwort Pensionskassen) dramatisch aufholen.

Ihr wollt auch verstärkt den Dialog zur Politik suchen – gab es den bis dato nicht in ausreichender Form? Ist das Ohr der Politiker für die AVCO-Themen noch nicht offen genug?

Wöss: Als Interessenvertretung der Beteiligungsindustrie ist es selbstverständlich eine unserer Kernaufgaben den Dialog mit der Politik und unserem Ökosystem zu suchen. Der Austausch funktioniert bereits sehr gut, beispielsweise sind wir auch mit einem Vertreter im Startup-Komitee des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort vertreten.

Was wir uns jedoch wünschen, ist eine raschere und zielgerichtetere Umsetzung der im Regierungsprogramm vorgesehenen Maßnahmen seitens der Politik. Ein Blick auf die Nachbarländer zeigt, dass diese deutlich schneller in der Umsetzung verschiedener Maßnahmen sind – zum Beispiel Deutschland mit dem Zukunftsfonds der Bundesregierung).

Wie ist eure Position zum Investitionskontrollgesetz? Dieses steht dem Bestreben, mehr ausländische Investoren nach Österreich zu holen, wohl entgegen?

Tiroch: Das Investitionskontrollgesetz ist das Resultat der Umsetzung einer Verordnung der EU. In seiner aktuellen Form wurde in Österreich allerdings die Chance verpasst, eine wettbewerbs- und standortfreundliche Variante der Verordnung zu gestalten. Hier sehen wir noch Raum für Nachbesserungen, wofür wir als AVCO auch bereits Vorschläge ausgearbeitet haben.

Eines der Vorhaben der Regierung für 2021 ist offenbar ein Austrian Private Equity Fonds. Wie könnte bzw. sollte der aussehen?

Wöss: Wir begrüßen grundsätzlich jede Initiative die mehr Eigenkapital für Unternehmen zur Verfügung stellt. Der Staat kann dabei als Ankerinvestor, Garantiegeber und Initiator auftreten. Wir wünschen uns ein professionelles Management, das nach internationalen Standards arbeitet und wettbewerbsfähig agiert.

Welche neuen Themen werden 2021 abseits der schon besprochenen wichtig werden?

Tiroch: Wir sehen verschiedene Themen – einige davon werden wir auch bei unseren Veranstaltungen in den kommenden Monaten aufgreifen:

  • ESG Kriterien und ihr Einfluss auf VC/PE
  • Tokenization, Blockchain
  • Zusammenspiel von öffentlichem und privatem Kapitalmarkt
  • SPACs (Special Purpose Acquisition Company): bislang vor allem in den USA beobachtet, findet nun auch seinen Weg nach Europa

Nina Wöss und Thomas Tiroch als neue Spitze bei der AVCO

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