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Klimagipfel in Madrid: Ehrliche Antworten auf die wichtigsten Fragen

Auf der Klimakonferenz in Madrid © UN Climate Change
Auf der Klimakonferenz in Madrid © UN Climate Change
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Kommentar. Die COP25-Konferenz in Madrid ist geschlagen – am Wochenende ging die Großveranstaltung, die den globalen Rahmen zur Bekämpfung der Klimakrise vorgeben soll, offiziell zu Ende. In den letzten zwei Wochen wurde intensiv diskutiert, verhandelt und informiert, doch was ist dabei Zählbares herausgekommen? Und wie fühlt es sich an, an einem Klimagipfel teilzunehmen. Wir, Andreas Tschas und Rainhard Fuchs, haben an der Konferenz teilgenommen und teilen unsere Erfahrungen mit euch auf Tech&Nature.

Teil 1: Ehrliche Antworten auf die wichtigsten Fragen

Was ist die COP25 eigentlich?

Die Conference of the Parties (COP) ist eine offizielle UN-Konferenz, welche ein Teil der United Nations Framework Convention on Climate Change (UNFCCC) ist und bereits zum 25. Mal veranstaltet wurde. Basierend auf den völkerrechtlich wichtigen Rio-Verträgen von 1992 (damals wurde Klimaschutz zum ersten Mal auf UN-Ebene vertraglich vereinbart) gab es erfolgreichere oder weniger erfolgreiche COPs in der Vergangenheit u.a. COP3 in Kyoto 1997, COP21 in Paris 2015 mit einem verbindlichen Vertrag als Erfolgsbeispiel, aber auch  Kopenhagen 2009 ohne Abkommen überhaupt (was seitdem immer wieder als abschreckendes Beispiel durch die Räume der COPs geistert). Die Statuten der UNFCCC fordern übrigens jährliche Treffen ein.

Wo findet die COP25 statt?

Nach den lokalen Unruhen in Santiago de Chile wurde die Klimakonferenz innerhalb weniger Wochen nach Madrid verlegt, was einer organisatorischen Meisterleistung gleichkommt und überraschend gut über die Bühne gegangen ist. Das Messezentrum in Madrid, welches auf gut 6 Messehallen bespielt wurde, konnte rechtzeitig zur Verfügung gestellt werden. Was heißt das konkret?

Riesige Hallen mit verschiedensten Messeständen warten auf die Besucher. Dazu kommen winzige bis sehr große Meetingräume, welche durchgehend inhaltlich bespielt werden.  Der Umzug von Santiago nach Madrid war übrigens nicht die erste Verschiebung – bereits Costa Rica konnte die Organisation entgegen der ursprünglichen Absicht nicht gewährleisten und bekam daher Hilfe aus Chile.

Klimaschonend ist auf jeden Fall die perfekte Anbindung mit Metro, welche die Teilnehmer entweder in wenigen Stationen zum Stadtzentrum und Richtung Bahnhof bringen kann, aber auch zu dem in unmittelbarer Nähe liegenden Flughafen der Stadt. Das Öffi-Ticket ist übrigens für alle Konferenz-Teilnehmer gratis.

Vor der Klimakonferenz in Madrid © UN Climate Change
Vor der Klimakonferenz in Madrid © UN Climate Change

Wer sind die Teilnehmer?

Ganz einfach: alle Länder, die die UNFCCC ratifiziert haben, können daran teilnehmen, sprich derzeit 197 Staaten. Dazu kommen sogenannte Observer, zahlreiche NGOs, Unternehmen und auch staatliche Organisationen, welche keine Stimmrechte haben. Außerdem viele internationale Medienvertreter und Unternehmer. Macht zusammen am diesjährigen COP rund 25.000 Teilnehmer, welche sich über knapp zwei Wochen in Madrid treffen.

Österreich war mit einer offiziellen Delegation rund um Bundesministerin Maria Patek vertreten. Örtlich hatte die Republik keinen Messestand, sehr wohl aber ein Büro als eigenen Arbeitsplatz.

Was wird eigentlich verhandelt auf der COP?

Eigentlich geht es vor allen in den Untergruppen ans Eingemachte. Diese bestehen aus dem Subsidiary Body for Scientific and Technological Advice (SBSTA) und dem Subsidiary Body for Implementation (SBI), welche jeweils für die Vertragsdetails zuständig sind. Wie kann man sich das in Praxis vorstellen? Heuer gab es langwierige Verhandlungen zu Artikel 6 des Paris-Vertrags (COP21), welche u.a. CO2-Märkte behandelt (Stichwort: Emissionsrechtehandel). Diese sind vor allem für die großen Unternehmen aber auch die Staaten allgemein relevant und sind potentiell Basis für millionenschwere Strafzahlungen.

Es gilt übrigens das Einstimmigkeitsprinzip, das heißt jedes der 197 Vertragsstaaten kann den ausgehandelten Vertrag mit einem Veto zu Fall bringen. Ebenso schließen sich Länder zu Blöcke zusammen, u.a. die Small Island Developing States.

Was war das beherrschende Thema des heurigen Gipfels?

#tiempodeactuar („Time for Action“) stand unübersehbar auf zahlreichen Plakaten und Bildschirmen. Konkret geht es hier um die Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit, Versprechungen und Realität, welche allzu oft in der Vergangenheit weit auseinanderklafften. Es wird nach wie vor viel geredet und noch zu wenig getan.

In der Vergangenheit wurde u.a. beim COP21 in Paris das Ziel von 1,5°C Erderwärmung beschlossen und in Katowice 2018 wurde der Vertrag weiter ausdefiniert, um den Weg dorthin (das „Wie“) zu bestimmen. Viele Passagen sind offen geblieben, daher gilt es bei der COP25, diese Lücken zu füllen.

Sogenannte Nationally Determined Contributions (NDCs) sind bis 2020 laut Paris-Abkommen verpflichtend darzulegen und wurden ausführlich besprochen. Die große Hoffnung lag daran, dass möglichst viele Staaten möglichst bald idealerweise CO2-neutral werden. Als angestrebtes Ziel wurde 2050 ausgegeben und über 75 Staaten verpflichteten sich dazu. Das Problem dabei? Die größten CO2-Verursacher wie die USA, China, Russland sind nicht darunter.  Das ist zugleich der größte Kritikpunkt am diesjährigen Klimagipfel, welcher dadurch sicherlich nicht als Sternstunde in die UN-Geschichte eingehen wird.  US-Ökonom Jeffrey Sachs bezeichnete Donald Trump unverblümt als „schlechtesten US-Präsidenten aller Zeiten“.

Auffallend ist, dass speziell die LDCs (Least Developed Countries) überaus stark sich zu den Klimazielen bekannt haben. Eigentlich ein Armutszeugnis für hochentwickelte Länder, da in der Vergangenheit auch bei den LDCs oft über das Recht auf Entwicklung und CO2-Ausstoß diskutiert wurde. Eine große Enttäuschung, wie Alfonso de Alba es ausdrückte.

Luis Alfonso de Alba sprach diesen Umstand auch unmissverständlich an. „Toll ist, dass wir endgültig vom ehemaligen 2°C-Ziel weg sind und nur mehr von 1.5°C Erwärmung sprechen. Der Klimawandel ist nun tatsächlich überall auf der Agenda. Nicht nur hier am Gipfel, sondern global, in Staaten, bei Unternehmen, im täglichen Gespräch“, sagte der Sondergesandte des UN-Generalsekretärs zum Klimagipfel. Für ihn zählt auch nicht, wie hoch die Zahl an Verpflichtungserklärungen der Staaten ist, sondern die Qualität dieser. Daher sind auch die 75 Staaten als Zahl nicht als zu wichtig einzuschätzen.

Welche Rolle hat die EU?

Europa bemühte sich redlich über eine führende Rolle am Klimagipfel, war aber aufgrund der erst kurz andauernde Amtsperiode der Europäischen Kommission und dem Zeitdruck, unter dem der vorgestellte Green Deal entstanden ist, eingeschränkt. Inhaltlich gab es dafür viel Lob, unter anderem von Jeffrey Sachs („großartige Arbeit – nicht leicht zu lesen, aber sehr fortschrittlich und detailliert“), nur war dieser von den Mitgliedstaaten noch gar nicht beschlossen und wurde zeitgleich in Brüssel darüber gefeilscht. Unterschiedliche nationale Interessen zeigen, dass es selbst innerhalb der EU alles andere als leicht ist, auf einen Konsens zu kommen. Der Klimagipfel ist da noch einmal mit seinen unterschiedlichen Ausgangspositionen (zB Inselstaaten; Entwickelte Staaten in Zentraleuropa; Wüstenstaaten) eine deutliche Nummer größer.

Wie sieht ein Tag auf der COP aus?

Es passiert viel und das gleichzeitig. Der ehemalige US-Außenminister John Kerry stellt seine neue Klimabewegung World War Zero vor, EU-Vizepräsident Frans Timmermans den Green Deal der EU, Greta Thunberg spricht energisch im Plenum, wiederum andere Friday for Future-Aktivisten streiken in den Gängen. Nur solche Highlights bekommen mediale Aufmerksamkeit, doch die Summe an interessanten Vorträgen und Details ist viel höher.

Dies hängt stark vom Teilnehmer und des Zeitpunkts der COP ab. Bereits am Anfang intensiv steigert sich das Tempo der Verhandlungen in der Schlussphase noch einmal und unter Umständen auch die Verzweiflung über einen fehlenden Konsens. Den Gesichtsverlust einer fehlenden Einigung am Ende der Konferenz wollen sich die Staaten nicht leisten. Ebenso sind die Tage je nach Teilnehmer ganz unterschiedlich durchgetaktet. Offizielle Delegationsmitglieder, wie Minister, hetzen von Termin zu Termin und nutzen die kurzen Wege für möglichst viele multilaterale Treffen.

Auf der Klimakonferenz in Madrid © UN Climate Change
Auf der Klimakonferenz in Madrid © UN Climate Change

Unterverhandler sitzen oft stundenlang in geschlossenen Meetings und verhandeln die Vertragswerke für einen Konsens am Ende der zwei Wochen. Diese sind grundsätzlich so aufgeteilt, dass in der ersten Woche die Vertragsdetails von nationalen Verhandler ausdefiniert werden und in der zweiten Woche kommen die Staats- und Regierungschefs, sowie vor allem Umweltminister, um diese Details abzusegnen. Die sogenannten High Level-Meetings bilden die Höhepunkte der jeweiligen Klimakonferenzen. NGOs versuchen Aufmerksamkeit zu erregen, Wissenschaftler kommen aus der ganzen Welt und präsentieren den letzten Stand ihrer Forschungsergebnisse, teilweise mit Ergebnissen, welche eigens für die Klimakonferenz aufbereitet wurde, teils mit bereits bekanntem Inhalt. Wohl alle haben eines gemeinsam: es gibt eine Flut an Informationen, Veranstaltungen und Meetings, welche man nicht alle bewältigen kann, weil teilweise 15 Veranstaltungen parallel passieren.

Die Tage sind lang (im Durchschnitt dauert das offizielle Programm von 8 bis 22 Uhr; das inoffizielle weit länger) und die Arbeitssessions dauern oft bis in die Nacht hinein.  Projekte, die monatelang vorbereitet wurden, werden in wenigen Minuten abgehandelt. Es ist die Zuspitzung von tausenden Arbeitsstunden, welche hoffentlich mit Erfolg abgeschlossen werden. Oder auch nicht. Was Erfolg ist, hängt vom Empfänger ab. NGOs freuen sich über möglichst gut besuchte Veranstaltungen. Delegierte wollen ihre nationalen Standpunkte durchbringen. Es geht darum, aus dem Grundrauschen herauszustechen. Ein Meisterstück, wem es gelingt.

Übrigens gibt es inoffizielle Themenschwerpunkte an den Konferenztagen, zB Klimawandel und Bildung. Freilich gehen diese Themen oft in der Masse unter.

Gastbeiträge spiegeln die Meinung der Autoren wider, die nicht unbedingt der Meinung der Redaktion entsprechen muss. 

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