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Michael Altrichter: „In Österreich gibt es leider eine unternehmerfeindliche Kultur“

Business Angel Michael Altrichter. © Puls 4
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Michael Altrichter ist nach Hansi Hansmann wohl der bekannteste Business Angel Österreichs – nicht zuletzt deswegen, weil er als Investor in der Puls-4-Show „2 Minuten 2 Millionen“ einiges an Geld für Start-ups locker gemacht hat (und auch in der dritten Staffel, die 2016 im TV zu sehen ist, locker machen wird). Sein Portfolio ist auf mittlerweile 25 Jungfirmen angewachsen, unter denen sich Namen wie Kaahée, Wikifolio, Tourradar, Hitbox oder Rublys finden. Im Interview mit TrendingTopics.at spricht er über den von der Branche geforderten Investitionsfreibetrag, das unternehmerfeindliche Klima in Österreich und die Neidgesellschaft.

Sie sind vor einem Jahr zum österreichischen Business Angel des Jahres gekürt worden – was ist seither passiert?

Michael Altrichter: In dem Jahr hat sich enorm viel getan, mein Portfolio ist auf 25 Investments gewachsen. Im Oktober wurde die dritte Staffel von “2 Minuten 2 Millionen” abgedreht, da sind wieder ein paar dazugekommen. Aber nicht nur die Zahl, auch der Wert des Portfolios ist gewachsen, die Kurve zeigt steil nach oben. Es gibt nur wenige Ausreißer nach unten.

Wie viel ist Ihr Portfolio denn mittlerweile wert?

Zu den absoluten Zahlen will ich nichts sagen, aber der Wert hat sich in den letzten drei Jahren verdreifacht.

Diesen Sommer gab es mit Runtastic und Shpock zwei riesige Exits. Wie bewerten Sie diese?

Ich freue mich natürlich, weil das äußerst gut ist für die Start-up- und Business-Angel-Szene in Österreich. Sie haben gezeigt, dass große Deals auch in Österreich möglich sind. Das beflügelt unseren Markt, gibt jungen Gründern Mut, und nicht zuletzt investieren auch die Runtastic-Jungs ihre Zeit und ihr Geld in die Start-up-Szene.

Runtastic- und Shpock-Investor Hansi Hansmann (hier im großen Interview) sagt immer wieder, dass er sich als Business Angel zurückziehen wird. Werden Sie die Lücke schließen, die er bei Frühphasen-Investments hinterlässt?

Der Hansi Hansmann ist natürlich eine Gallionsfigur und wird es immer bleiben. Er ist der erste wirklich große und bekannte Business Angel in Österreich. Auch wenn er sich zurückziehen sollte – und es ist fraglich, ob er das wirklich tut -, dann wird ihm niemand seinen Rang streitig machen. Zum Glück ist die Business-Angel-Szene mittlerweile breit aufgestellt, sollte sich Hansmann ganz zurückziehen, gibt es andere, die übernehmen können. Aber er sagt ja schon lange, dass er aufhören will und kann dann doch nicht widerstehen zu investieren.

Hansmann hat zwei große Exits geschafft. Wie sieht es mit Ihrem Portfolio aus?

In meinem Portfolio stehen ganz vorne Wikifolio, die schon einen großen Wert hat, und Hitbox, die jetzt richtig durchstarten. Rublys ist schon länger auf einem höheren Niveau, und auch die zwei Start-ups payworks und iyzico aus dem Payment-Bereich entwickeln sich sehr gut.

Auf welche Themen und Verticals setzen Sie?

Es ist eigentlich immer so, dass die unternehmen mich finden und nicht umgekehrt. Wenn ich dann sehe, dass es in ihrem Markt einen Aufwärtstrend gibt, ist das spannend. Beispiel Rublys: Die machen eine Rubbellos-App zu einem Zeitpunkt, an dem die Werbebudgets Richtung Mobile Marketing wandern, es aber viel störende Bannerwerbung gibt. Da ist es nur logisch, eine App zu machen, in der Werbung so gestaltet wird, dass sie der Nutzer angenehm findet, in dem Fall mit Rubbellosen am Smartphone.

Kürzlich hat eine Allianz der Start-up-Szene die Forderung nach einem Investitionsfreibetrag bekräftigt. Was würde dieser aus Ihrer Sicht bringen, hilft Ihnen das als Business Angel?

Ja sicher, das ist wahnsinnig wichtig für die gesamte Branche. Das wäre ein riesiger Impuls für die gesamte Start-up-Szene. Es gibt zehntausende Menschen, die ein Salär in der 50-Prozent-Steuerklasse haben, und die suchen ja jedes Jahr nach Möglichkeiten, wo sie einen Freibetrag investieren können. Wenn man hier die Schleusen öffnet, würde das einen irrsinnigen Boom erzeugen. Und wir wissen ja, dass Start-ups zusätzliche Steuern erzeugen, wegen der hohen Personalausgaben. Jedes Start-up erzeugt ein Vielfaches an Steuerabgaben. Dieser Risikokapitalfreibetrag ist keine Steuerverschwendung, sondern eine Steuererzeugung. Mich wundert es, warum das Parlament das nicht sofort durchwinkt. Schon in der selben Legislaturperiode würde sich das positiv auf das Steuerverhalten auswirken.

Wenn die Wirkung so positiv ist, warum wurde so ein Gesetz bis dato noch nicht umgesetzt?

Meine Vermutung ist, dass sich vermeintliche Vertreter des kleinen Mannes dagegen wehren, den Besserverdienenden Steuerzuckerln geben zu wollen. Aber das ist reine Polemik. Man muss sich trauen, das durchzusetzen, auch wenn die Masse der Wähler das nicht betrifft, weil sie nicht in der 50-Prozent-Steuerklasse sind. Aber für Gesamtösterreich wäre es sehr positiv. An diesem Mut hat es bis jetzt noch gefehlt.

Ein Investitionsfreibetrag steht noch aus, das Crowdinvesting-Gesetz gibt es bereits. Welche weiteren Maßnahmen wären aus Ihrer Sicht noch wichtig, um Start-up-Österreich weiterzubringen?

Der Freibetrag und Crowdinvesting sind in finanzieller Hinsicht die beiden wichtigsten. An dritter Stelle liegt meiner Meinung nach die Vereinfachung des Gründens, also die Beseitigung des Hürdenlaufs. Eine 1-Euro-GmbH für die Anfangsphase würde helfen, wenn es später ernst wird, kann man immer noch eine ordentliche GmbH darüberstülpen.

Wie gründungsfreudig sind die Österreicher?

Wenn man sich in Österreich selbstständig macht, hat das immer noch den Nimbus, als wäre man arbeitslos oder würde keinen ordentlichen Job bekommen. Und wehe, es geht dann schief, dann sagen alle Bekannten, dass sie es eh immer gewusst hätten, dass man es nicht schafft. Wenn man nicht erfolgreich ist, ist das ein Problem, aber auch, wenn man erfolgreich ist, ist es schon fast eines. In Österreich gibt es leider eine unternehmerfeindliche Kultur, die Neidgesellschaft ist hier sehr ausgeprägt. Selbst wenn man erfolgreich ist, kann man das nicht in die Öffentlichkeit tragen. In den USA ist es anders, dort weiß es sofort die ganze Nachbarschaft, wenn man seine erste Million gemacht hat.

Wie könnte man das ändern?

Da müsste man schon in der Ausbildung anfangen und schon den Kleinen Mut machen, selbstständig zu sein und den eigenen Traum zu leben. Das ist natürlich ein komplexes Thema, und es wird wohl eine Generation dauern, bis ein Umdenken passiert. Das kann man nicht einfach mit einem neuen Gesetz lösen.

Zum Thema Scheitern: Ist eine große Toleranz fürs Scheitern nicht auch gefährlich? Immerhin kann diese Angst ordentlich antreiben, etwas zu schaffen.

Ich glaube nicht, dass es einem Unternehmer an dieser Motivation fehlt. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass man als Unternehmer ohnehin keine ruhigen Nächte hat, man weiß, dass es jeden Tag aus sein kann. Auch bei einem Start-up weißt du nicht, ob du den nächsten Tag überlebst. Du machst noch keine Umsätze, das Ding funktioniert noch nicht, du weißt nicht, ob es die Investoren weitertragen, da ist das Scheitern eh allgegenwärtig. Nur: Wenn es so weit gekommen ist, dann hackt die Gesellschaft noch zusätzlich auf einem herum. Scheitern ist etwas Positives, das muss man in Österreich einmal verstehen. Wenn ich mich zwischen zwei gleichwertigen Unternehmern entscheiden müsste, dann würde ich dem, der schon einmal gescheitert ist, den Vorzug geben.

Sie haben zwei Exits hingelegt, gab es mal ein Scheitern?

Nein, Gott sei Dank nicht, aber es war haarscharf daran. Bei der paysafecard hätte die Gründung fast geklappt, und zwei, drei Jahre später gab es eine Durststrecke mit Verlusten und keinen nennenswerten Umsätzen. Die Investoren haben trotzdem an uns geglaubt und noch eine Tranche investiert, und wir haben dann in Folge einen Markt für die paysafecard gefunden. In meinem Portfolio gibt es ein, zwei Wackelkandidaten, aber es musste noch keines in die Insolvenz gehen.

Ausblick auf 2016: Werden die Exits von Runtastic und Shpock, die sich beide in der Größenordnung von 200 Millionen Euro abspielten, getoppt werden können?

Puuh, das wird schon schwierig, in der österreichischen Geschichte gibt es neun Exits mit einem dreistelligen Millionenbetrag überhaupt. Ich habe selbst in meinem Portfolio zwei, drei Kandidaten, deren Unternehmenswert Richtung neunstellig geht. Möglich wäre es jedenfalls.

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