Gastbeitrag

Three Coins: Mit Holacracy durch die Corona-Krise

Das Gründer-Team von Three Coins. © Three Coins
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Lukas Kruppa ist Sozialunternehmer in Österreich und hat sich intensiv mit dem Thema Holacracy, unter anderem während seiner Zeit in Uganda, auseinandergesetzt. Auf Trending Topics gibt er Einblicke, wie der Unternehmensstil durch die Corona-Krise neuen Zuspruch erfährt.

„Jede Krise ist eine Chance für Neues.“ Während sich technisch in den letzten 100 Jahren in praktisch allen Bereichen enorm viel verändert hat, schauen Organigramme von Organisationen (Darstellung der Organisationsstruktur) denen vom 19. Jahrhundert sehr ähnlich. Eine relativ neue Bewegung, was Unternehmensorganisation betrifft ist Holacracy (deutsch: Holokratie). Mit diesem „neuen Betriebssystem“ werden Firmen in ihrer Grundstruktur viel flexibler. Viele andere spannende neue Herangehensweisen versprechen Organisationen agiler zu machen. Doch bei den meisten werden nur einzelne Praktiken der Firma agiler, während die Kultur im Unternehmen gleich starr bleibt. Holacracy verändert hingegen den Kern der Arbeit.

Das Unternehmen Three Coins war mir bisher speziell durch ein bildendes Handy-Spiel bekannt, das ich 2015 nicht nur interessiert ausprobierte, sondern gleich durchspielte: Cure Runner. Das Hauptthema der Organisation ist es, Finanzkompetenz durch praktische Ansätze zu vermitteln. Mich hat es nun sehr gefreut herauszufinden, dass Three Coins seit über fünf Jahren holokratisch organisiert ist. Alexandra Wolk ist von den aktuellen Mitarbeiter*innen am längsten dabei und hat mir Fragen zum Thema Holacracy in Krisenzeiten beantwortet.

Entwicklungsschmiede zur Erhöhung der Finanzkompetenz

Die Sozialorganisation Three Coins GmbH definiert sich als „Die Entwicklungsschmiede für wirkungsvolle Bildungsformate im Bereich der Finanzkompetenz“. Sie machen darauf aufmerksam, dass enorm viele Menschen – auch schon Jugendliche – überschuldet sind, oftmals durch irrationales Konsumverhalten. Sie evaluieren, entwickeln und implementieren verschiedene Lösungen zur Verbesserung der Finanzkompetenz. Dabei entstehen unter anderem Produkte wie digitale E-Learning-Tools, Apps, multimediale Kampagnen oder klassische Workshops.

Ihre Vision ist: „Alle Menschen bewegen sich frei und selbstbestimmt durchs Leben, ganz ohne Geldsorgen.“

Keine „klassische“ Organisationsstruktur

In ihren ersten Jahren arbeitete die 2012 gegründete Organisation im Coworking-Space des Impact Hub Vienna. 2014 implementierte das Impact Hub Holacracy (Artikel dazu hier). Nachdem Three Coins gerade am Wachsen und Skalieren war, verspürten auch bei ihnen die Mitarbeiter*innen das Bedürfnis nach einem klareren Organisationsaufbau. Sie wussten, dass sie kein klassisches System wollten, wie sie es in ihrer bisherigen Arbeit kennengelernt hatten. Außerdem wollten sie Strukturen, in denen jede*r selbstständig in seinem oder ihrem Bereich entscheiden kann. Daher trafen sie die Entscheidung, gleichzeitig mit dem Impact Hub Holacracy zu implementieren.

Die damals bei der Implementierung verwendeten Unterlagen werden auch heute noch dazu genutzt jede*n neue*n Mitarbeiter*in einzuschulen. Alexandra Wolk verneint, dass Holacracy einen zu hohen Zeitaufwand mit sich bringt. Nach über fünf Jahren sei Holacracy zwar total zur Selbstverständlichkeit geworden, jedoch merke man in Gesprächen mit anderen Organisationen, bei denen oftmals auch kleine Entscheidungen die Hierarchieebenen hinauf und wieder hinunter gehen, wie effizient die Entscheidungsprozesse sein, da jede*r klar seine oder ihre Verantwortungsbereiche habe. Auch in den regelmäßigen Meetings wird sehr viel in kurzer Zeit erledigt.

Der Fokus auf den Purpose ( = ähnlich einem Mission-Statement) ist ein Grundelement der Holokratie und wird in dieser Organisation sehr stark gelebt, indem Strategie und Purpose, die jährlich angepasst werden, groß über jedem Schreibtisch hängen. Außerdem wird wöchentlich evaluiert, was die eigenen Rollen und Prioritäten sind, und was auf Basis der Strategie am wichtigsten für die nächste Woche ist.

Corona kam zu einem schlechten Zeitpunkt

Für solche Praktiken war in der Corona-Zeit noch mehr Raum, denn die tägliche Arbeit wurde durch die COVID-19-Maßnahmen stark verändert. In den ersten neun Wochen hätten die drei Mitarbeiter*innen und die drei externen Trainer*innen 25 Workshops und zehn Lesungen halten sollen. Anstatt hunderte Schüler*innen physisch erreichen zu können, musste nun wieder mehr Fokus auf die digitalen Formate gelegt werden. Auch Neukund*innen und Partner*innen zu gewinnen war während des Lock-Downs sehr schwer. Jedoch hält sich Three Coins an die Vorgabe „Live what you preach“ und arbeitet dementsprechend immer mit einem Finanzpolster. Damit wird die finanzielle Situation frühestens im Herbst kritisch. Bis dahin ist noch genügend Zeit, Strategien anzupassen.

Ein holokratischer Aspekt, der in Corona-Zeiten sehr sichtbar wurde, ist, wie gut die geteilte Verantwortung funktioniert, gerade wenn man nicht gemeinsam im Büro ist. „Es war sehr überraschend für uns alle, dass man so disconnected voneinander so gut funktioniert, da wir davor selten Home Office genutzt haben“, erzählt Alexandra Wolk. „Vor Corona bekam man zumeist mit, was jede*r tut. Im Home-Office sieht man nach einer Woche plötzlich große Veränderungen und ist beeindruckt, wie viel sich getan hat. Dadurch sind nun auch zukünftige längere örtliche Trennungen des Teams viel weniger sorgenbehaftet.“

Die Krise zeigt, wie wichtig es ist, mit Geld umgehen zu können

Die wöchentlichen Team-Synchronisations-Meetings (Tacticals) funktionieren online fast noch besser. Das für Holacracy viel genutzte Online-Tool „Glassfrog“, das Unternehmensstrukturen kreisförmig abbildet, unterstützte schon davor diese Meetings bei Organisation und Durchführung. Bei physischen Treffen wirkt ein Bildschirm oft ein wenig störend. Mit online Meetings hat man alle Teilnehmer*innen und Glassfrog auf einem Bildschirm, was es noch einfacher macht, gleichzeitig das Meeting und die Kolleg*innen im Blick zu haben zu haben.

Während sich die äußeren Gegebenheiten stark veränderten, blieb der Fokus auf dem Purpose. „In der Krise sieht man, wie viele Leute es rüttelt, weil sie keinen Notgroschen zur Seite gelegt haben. Es ist für uns unglaublichen bestärkend, wie wichtig das ist, was wir in unserer täglichen Arbeit Menschen vermitteln!“, meint Alexandra Wolk. Diese Verbindung mit dem Purpose ist in diesen turbulenten Zeiten schön und erdend.

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