Interview

„Wir sind ein politisches Startup“: Wie drei Gründer mit Volt eine europaweite Partei bauen wollen

Volt-Mitgründer Andrea Venzon. © Jakob Steinschaden
Volt-Mitgründer Andrea Venzon. © Jakob Steinschaden

Für das Logo haben sie Rot und Blau gemischt und es Violett gemacht. Und auch politisch steht die neue paneuropäische Partei Volt zwischen den Polen Links und Rechts und will ihrem Namen getreu neue Energie ins politische System der EU pumpen. Das Ziel von Volt, das in kurzer Zeit 15.000 Unterstützer in 13 Ländern gefunden hat: Bei den Europawahlen 2019 will die neue Partei rund um die Gründer Andrea Venzon aus Italien, Colombe Cahen-Salvador aus Frankreich und Damian Boeselager aus Deutschland 27 Parlamentssitze ergattern.

Reaktion auf Brexit und Populisten

„Wir positionieren uns zwischen Mitte links und Mitte rechts. Auf der wirtschaftlichenSeite sind wir eher liberal, bei sozialen Fragen sind wir eher sozialdemokratisch. Generell sind wir an Lösungen orientiert und nicht an Ideologien“, sagt der 26-jährige Andrea Venzon im Gespräch mit Trending Topics. Beim Europäischen Forum Alpbach, das derzeit stattfindet, werben Venzon und seine Kollegin Cahen-Salvador für Aufmerksamkeit und neue Mitglieder.

Die Ziele sind, wie es sich für eine junge, frische Bewegung für ganz Europa gehört, sehr groß: Aus der EU soll ein smarter Staat werden, der Kontinent soll zu alter wirtschaftlicher Größe zurückgeführt werden, dabei sozial und gerecht sein, man will endlich den Klimawandel in den Griff kriegen und Antworten auf die Flüchtlingsfrage finden. „Ich habe mich nie für Politik interessiert und war auch nie Parteimitglied. Aber wenn sich unsere Generation nicht politisch engagiert, dann kann es für unseren Kontinent ordentlich schiefgehen“, sagt Venzon.

https://www.instagram.com/p/BmYWlqFAbRU/?taken-by=volteuropa

Trump als Geburtshelfer

Das Gründungsdatum von Volt ist bezeichnend. Es ist der 29. März 2017. Am dem Tag beantragte das Vereinigte Königreich offiziell den Austritt aus der EU, um den Brexit formell einzuleiten. Genau diesem Auseinanderbrechen der EU und den wachsenden populistischen Parteien in vielen Mitgliedstaaten will Volt etwas entgegensetzen und eine Stimme für die jungen Menschen Europas werden.

Das Brexit-Beispiel wird dazu gerne angeführt. Denn 64 Prozent der 18- bis 24-Jährigen stimmten beim Referendum im Juni 2016 für den Verbleib in der EU, während nur 35 Prozent der Über-50-Jährigen dafür waren. Die Jungen müssen nun ausbaden, was die Alten gefordert haben, hieß es damals vielerorts. Als dann Donald Trump im November 2016 die US-Wahlen gewann, wurden die drei Volt-Gründer praktisch über Nacht politisiert – die Idee zu Volt war geboren. Heute steht ein 200-seitiges Programm im Netz, das potenzielle Mitglieder überzeugen soll.

Eine Partei, die wie ein Startup funktioniert

Ob Volt ein Erfolg wird oder nicht, steht in den Sternen. Um im EU-Parlament eine Fraktion bilden zu können, muss die junge Partei mindestens 25 Abgeordnete aus mindestens einem Viertel (also 7) der Mitgliedstaaten bekommen. Derzeit ist Volt in acht Ländern, darunter Deutschland, Italien, Frankreich und Österreich, offiziell präsent, weitere Staaten sollen dazukommen.

„Wir sind definitiv ein politisches Startup, weil es so etwas wie Volt noch nicht gibt“, sagt Venzon. Es gibt keine andere paneuropäische Partei, und wir müssen erfinderisch sein, weil nationale Gesetze verhindern können, das wir zusammenarbeiten. Wir können etwa keine Spenden von einem Land ins andere bewegen. So gesehen sind wir Pioniere.“

Ist das nur eine Partei für EU-Hipster und Startup-Gründer? Venzon lacht. „Wir sind definitiv eine Partei für junge Leute. wir sprechen sicher auch die Startupper an, aber auch Studenten oder Leute, die für die EU sind. Was viele neben dem Alter vereint: 70 Prozent unserer Mitglieder waren zuvor nie bei einer anderen Partei.“

Crowdfunding und Facebook Workplace

Finanziert wird die junge Bewegung derzeit mittels Micro-Funding-Kampagnen, über die bei kleinen Spendern bisher 25.000 Euro eingenommen wurden. „Weil wir sehr digital sind, brauchen wir viel weniger Geld als andere Parteien“, sagt Venzon. Für die interne Kommunikation setzt man derzeit auf Facebook Workplace, eigentlich ein Online-Tool, das für Unternehmen gebaut wurde. Doch die Abhängigkeit Europas von US-Internetkonzernen ist auch Venzon klar.

„Bisher haben wir viele US-Tools verwendet, aber wir wissen, dass wir zu europäischen Tools wechseln wollen. Europa muss in dem Gebiet eigene Lösungen entwickeln und darf nicht komplett abhängig von anderen Playern sein, die sie potenziell gegen uns verwenden könnten oder sich nicht an unsere Datenschutzregeln halten“, sagt Venzon. „Deswegen bauen wir unsere eigenen Datenbanken und Kommunikationskanäle auf.“

Kann Volt erfolgreich sein?

Derzeit sieht es gut aus für Volt. In kurzer Zeit konnte man viele tausende Aktivisten gewinnen, die ohne Bezahlung die Werbetrommel im Netz und bei Events für die Jungpartei rühren. Doch auch Venzon weiß: „In Zukunft wird es sicher schwieriger.“ Und zwar dann, wenn es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den einzelnen Ländern kommt – etwa was Migration, Steuern oder Jobmarkt angeht. Wie die Gründer das handhaben wollen, ist noch unklar.

Dass Vertreter kleiner Parteien ins EU-Parlament einziehen können, ist durchaus möglich. Bestes Beispiel ist etwa Julia Reda von der Europäischen Piratenpartei (sie schloss sich der Fraktion der Grünen an) oder der fraktionslose Satiriker Martin Sonneborn aus Deutschland („Die Partei“). Doch die Piratenpartei, um die es vor mehreren Jahren einen regelrechten Hype gab, sollte Volt eine Warnung sein. So schnell diese in den Umfragen nach oben schoss, so schnell war sie auch wieder weg vom Fenster.

Venzon sieht Volt jedenfalls als Mehrjahres-Projekt, seinen Job als Management-Berater hat er dafür an den Nagel gehängt. „Ich habe meine Komfort-Zone verlassen und werde mich viele Jahre für Volt engagieren. Das sollten viele andere Leute auch versuchen. wenn wir nicht aufstehen und es versuchen, dann könnte es mit unserem Kontinent vorbei sein. Das wir in der EU friedlich zusammenleben, sollten wir nicht für selbstverständlich nehmen. Vor 100 Jahren war das komplett anders.“ Damals ging erst der 1. Weltkrieg zu Ende.

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