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Bitpanda-Massenkündigungen: Kritik an Kommunikation und Management-Fehlern

Bitpanda-HQ in Wien. © Trending Topics
Bitpanda-HQ in Wien. © Trending Topics
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Seit einer Woche ist es eines der größten Gesprächsthemen in der heimischen Tech-, Startup- und Investor:innen-Szene: die Massenkündigungen beim Wiener Krypto-Unicorn Bitpanda. Von mehr als 1.000 Mitarbeiter:innen wurde auf 730 Stellen gekürzt, etwa 30 Prozent (oder mehr?) der Belegschaft musste das Unternehmen verlassen, das sich 2021 eine Bewertung von 3,5 Milliarden Euro holte. Die Massenkündigungen kamen nur wenige Monate, nachdem das Unternehmen im März „unbegrenzten Urlaub“ nach Netflix-Vorbild als Mitarbeiter:innen-Benefit einführte.

Dazu kommt die Kommunikation seitens des Unternehmens. Noch neun Tage vor den plötzlichen Massenkündigungen kommunizierte Bitpanda gegenüber Trending Topics, dass man alles tue, um ein Downsizing zu verhindern, man zu dem Zeitpunkt noch niemanden entlassen habe müssen und man für geschäftskritische Aufgaben auch weiter einstellen wolle. Die Frage war aufgekommen, da in den Tagen zuvor Krypto-Unternehmen weltweit – darunter Coinbase, Gemini, Bitso, Nuri, Crypto.com, BlockFi – Massenkündigungen wegen des Markt-Crashs und eines bevorstehenden Krypto-Winters verkündet hatten. Fragen zu den Kündigungen beantwortet das Unternehmen derzeit nicht, verwiesen wird auf das offizielle Statement.

Der Crash, der in den Krypto-Winter führt

Kritiker: „Schwerwiegende Management-Fehler“

Diese Kommunikation wiegte dann offenbar viele in Sicherheit, die angstvoll den Markt beobachteten. Als dann die Massenkündigungen am Freitag im Wiener Bitpanda-HQ sowie für die Mitarbeiter:innen im Home Office via Zoom-Call verkündet wurden, traf die Botschaft umso härter. Wen es konkret traf, wurde den betroffenen Personen via E-Mail kundgetan, glaubt man einem angeblichen ehemaligen Mitarbeiter auf Reddit, sollen manche erst via Slack oder WhatsApp von der Kündigung erfahren haben. Auch im mittleren Management wurde man überrascht, so waren manche Team-Leiter:innen nicht informiert, wer aus dem eigenen Team gegangen wird.

Aufregung gab es bei manchen auch, weil Laptops und Zugänge zu Software etc. sehr bald gesperrt wurden. Das ist sicher unangenehm, sehr schnell den Zugang zu Tools (auch für die interne Kommunikation) zu verlieren. Aus der Fintech-Branche ist aber auch bekannt, dass das ein durchaus gängiges Prozedere ist und für Sicherheit zuständige Manager Software-Zugänge und Geräte in solchen Situationen schnell sperren müssen. Dass manche Gekündigte vom Sicherheits-Team gleich vor die Tür eskortiert worden sein sollen, ist derweil nicht bestätigt.

„Bitpanda ist eine Erfolgsgeschichte, aber diese Handlungen zeugen von absolut schwerwiegenden Management-Fehlern, die in Konzernen üblicherweise auch Konsequenzen für Geschäftsführung, HR-Leitung usw. haben“, sagt Robert Schwertner, der sich intensiv mit dem Krypto-Sektor befasst. „Es ärgert mich jedenfalls, dass Bitpanda noch im April und Mai suggerierte, dass alles in Ordnung ist und dann 1/4 der Belegschaft gekündigt wird. Das schadet dem Krypto-Markt und dessen Playern.“

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Bitpanda-Gründer: „Das war ein Fehler“

Fehler haben sich die Bitpanda-Gründer Eric Demuth, Paul Klanschek und Christian Trummer bereits öffentlich eingestanden. „Als Hypergrowth-Unternehmen hatten wir mit Wachstumsschmerzen zu kämpfen. Um mit der Branche Schritt zu halten, war die Wachstumsrate unseres Teams zu hoch. Wir sahen uns mit der Herausforderung konfrontiert, die richtigen internen Prozesse und Infrastrukturen einzurichten, um neue Mitarbeiter erfolgreich an Bord zu holen, sie an die richtige Stelle zu setzen und sie in die Lage zu versetzen, etwas zu bewirken“, heißt es in dem offiziellen schreiben. „Wir erreichten einen Punkt, an dem mehr Mitarbeiter uns nicht effektiver machten, sondern stattdessen einen Koordinationsaufwand verursachten, insbesondere in dieser neuen Marktrealität. Wenn wir heute zurückblicken, erkennen wir, dass unser Einstellungstempo nicht nachhaltig war. Das war ein Fehler.“

Klar ist, dass Bitpanda am Markt mit in Europa immer stärker auftretenden Unternehmen wie Crypto.com oder Binance mithalten musste – und schließlich ähnlich wie diese unter anderem auch ins Sport-Sponsoring einstiegen. Auch in Branding wurde groß investiert, so fuhr etwa eine Bitpanda-gebrandete Straßenbahn durch Wien. Sehr viel Geld wurde schließlich auch ins Headquarter in Wien investiert, das im Juni eröffnet wurde. Auch diese Investitionen werden nun nach den Massenkündigungen kritisiert. Klar ist aber auch, dass solche großen Investitionen langfristig geplant werden und nicht erst in der Phase des einbrechenden Krypto-Winters beginnen – auch wenn die Ergebnisse vielleicht erst dann zu sehen sind.

Verwirrend ist am Ende für Beobachter:innen, wie viele Mitarbeiter:innen nun letztlich gekündigt wurden. Zuerst war von mehr als 200 zu lesen, schließlich konnte man sich bei „mehr als 1.000 Mitarbeiter:innen“ ausrechnen, dass es eher 30 oder mehr Prozent der Belegschaft sind, die das Unternehmen verlassen müssen. In einigen Berichten ist zu lesen, dass sogar 400 bis 500 Menschen betroffen sein sollen – gerechnet wird dabei mit 1.100 bis 1.300 Mitarbeiter:innen und dann eben die Differenz auf 730. Bestätigt wird das vom Unternehmen nicht, es wird immer auf die Reduktion auf 730 verwiesen, bei „über 1.000“ Mitarbeiter:innen zuvor.

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War der Krypto-Winter absehbar?

War das nun alles absehbar, und hätte man Hiring und Ausgaben nicht schon viel früher bremsen müssen? Im Nachhinein betrachtet ist der Crash natürlich absehbar gewesen. Klar ist, dass seit Jänner 2022, als die US-Zinswende immer näher rückte, der Preis von Bitcoin und Co. stufenweise einbrach. Der Überfall von Russland auf die Ukraine beschleunigte das dann im Februar. Anzumerken ist auch, dass die Investitionen in Krypto-Unternehmen dieses Jahr munter weitergingen, was sich etwa in massiven Investments in Circle (April) oder Yuga Labs (März) und neu gestarteten Krypto-Fonds (z.B. 4,5 Milliarden Dollar für a16z Crypto) zeigte. Eindeutig ist das Bild des Crashs da noch nicht.

Der echte Wendepunkt kam dann mit der ersten Zinserhöhung am 4. Mai, der Krypto-Assets noch weiter auf Talfahrt schickte, und dann wenige Tage später Terra/LUNA implodierte. Erst Anfang Juni begannen dann die Krypto-Unternehmen zu reagieren. Zuerst nahm Gemini der Winklevoss-Zwillinge das Wort „Krypto-Winter“ in den Mund, dann Crypto.com, BlockFi, Coinbase – die Welle der Massenkündigungen schwappte um den Globus. Am 15. Juni war man bei Bitpanda noch der Meinung, dass man ein ähnliches Downsizing verhindern könne, neun Tage später, also am 24. Juni wurden dann die Massenkündigungen verkündet.

Was war dazwischen passiert? Die Krise verschärfte sich weiter drastisch. Waren es vorher eher noch Downsizings, dreht sich die Spirale weiter nach unten, und mit Celsius Network, Three Arrows Capital und BlockFi standen drei große Player im Krypto-Markt plötzlich sehr deutlich vor dem Aus. Das muss letztendlich zu der Überzeugung geführt haben, dass doch ein Downsizing durchgeführt werden muss. Bitpanda will wieder den „konservativen Ansatz“ eines „finanziell gesunden Unternehmens“ verfolgen, mit Fokus auf die Basics.

Stellt sich am Ende die Frage: Wie hätte man die Kündigungen, die durch einen harten Markteinbruch notwendig wurden, „besser“ kommunizieren können?

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