FAQ

Gegen den Strom: Alles über die kontroversen E-Fuels

© David Visnjic / Trending Topics
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Ein echter Zukunftskandidat für nachhaltige Mobilität – oder nur ein von Lobbyismus durchsetzter ­Pseudo-Ersatz für fossile Brennstoffe? Die sogenannten E-Fuels, synthetisch hergestellte Kraftstoffe, spalten immer noch die Meinungen. Während viele durchaus Potenzial zur Klimafreundlichkeit und ein wichtiges Element in der Mobilitätswende sehen, sind sie für Skeptiker:innen nur ein ­Vorwand, um den Umstieg auf E-Mobilität zu verlangsamen. In unserem FAQ beantworten wir die wichtigsten Fragen zum Thema E-Fuels.

Dieses Interview stammt aus unserem Magazin „Unter Strom 2023“ mit Schwerpunkt auf E-Mobilität. Das rund 70-seitige Magazin steht hier kostenlos zum Download parat.

Was sind E-Fuels?

E-Fuels sind auch bekannt als strombasierte synthetische Kraftstoffe. Bei ihrer Produktion kommt elektrische Energie aus Wasser und Kohlendioxid (CO2) zum Einsatz. Dieser Prozess wird als „Power-to-Fuel“ bezeichnet. Gewöhnliche Verbrennungsmotoren können diesen Treibstoff nutzen, wobei es in der Theorie größere Einsparungen bei CO2-Emissionen gibt als bei fossilen Brennstoffen. Aufgrund ihrer chemischen Reinheit können E-Fuels auch in Brennstoffzellen zum Einsatz kommen, wo sie zu reinem Kohlendioxid und Wasser reagieren und somit das freigesetzte Kohlendioxid in einem Kreislauf halten können.

„Bei E-Fuels handelt es sich im Idealfall im Grunde um die reinste Form von Ökostrom, denn sie haben eine sehr hohe Energiedichte. Sie können sowohl flüssig als auch gasförmig sein, wobei die flüssige Form am häufigsten zum Einsatz kommt. Es handelt sich um eine durchsichtige, nicht sehr geruchsintensive Flüssigkeit“, erklärt Stephan Schwarzer, Geschäftsführer der E-Fuel Alliance Österreich. •

Wie werden E-Fuels hergestellt?

E-Fuels werden aus Wasserstoff, der mittels Elektrolyse aus Wasser gewonnen wird, hergestellt. Der dafür notwendige erneuerbare Strom stammt aus Wind- und Solaranlagen. Im Fischer-Tropsch-Verfahren wird der Wasserstoff durch aus der Atmosphäre entnommenes CO2 zu einem flüssigen Kraftstoff synthetisiert (Power-to-Liquid-Verfahren). Das Wasser kann beispielsweise aus dem Meer stammen, das CO2 kann sowohl durch Direct Air Capture direkt aus der Luft gewonnen werden als auch durch Carbon Removal, bevor es überhaupt in die Atmosphäre gelangt.

Die größte Herausforderung stellt der Strom dar, der für die Produktion erforderlich ist. „Um wirklich nachhaltige E-Fuels zu erzeugen, sind große Mengen an Ökostrom nötig. Natürlich sollte der nicht aus Quellen kommen, die Menschen an anderen Stellen brauchen. Vielmehr sehen wir großes Potenzial bei Quellen, die heute noch nicht genug ausgeschöpft sind, also wo die saubere Energie brach liegt. Es gibt viele Gegenden auf der Erde, die gewaltige Mengen an Wind bieten und an denen es praktisch nie Wolken gibt. In Bezug auf Wind- und Solarenergie liegt an diesen Ort ein Riesen-Schatz begraben, der noch nicht gehoben ist“, so Stephan Schwarzer.

Wo werden E-Fuels eingesetzt?

E-Fuels können in herkömmlichen Verbrennungsmotoren bzw. modernen Öl-Heizungen zum Einsatz kommen, die üblicherweise mit Benzin, Kerosin, Diesel oder bzw. Heizöl betrieben werden. Eine Umrüstung ist nicht erforderlich und die entsprechenden Fahrzeuge und Heizungsanlagen könnten auch in Zukunft genutzt werden. Neben dem Einsatz in Autos gelten E-Fuels auch im Schiffs- und Flugverkehr als mögliche Zukunftslösung. E-Fuels könnten auch in modernen Ölbrennwertheizungen zum Einsatz kommen, ohne dass diese umgerüstet oder Umbaumaßnahmen am Gebäude vorgenommen werden müssten. „Im Grunde können E-Fuels alles, was gängige fossile Kraftstoffe derzeit können. Es ist möglich, sie 1:1 an die Stelle der fossilen Pendants zu setzen“, erklärt Stephan Schwarzer.

Wann werden E-Fuels flächendeckend ­verfügbar sein?

Wann industrielle Großanlagen zur Herstellung von E-Fuels zur Verfügung stehen werden, hängt stark von den politisch-regulatorischen Rahmenbedingungen ab. Die technischen Voraussetzungen sind gegeben, die mittelfristig den Bau industrieller Großanlagen zulassen. Dies geschieht aber nur, wenn Investitionssicherheit und Technologieoffenheit bestehen. Bereits im Jahr 2025 könnten laut der eFuel Alliance erste Produktionsmengen zur Verfügung stehen.

Warum sollten E-Fuels in der Mobilitäts­wende einen Platz haben?

Viele EU-Politiker:innen und Player in der Mobility-Branche argumentieren für den Einsatz von E-Fuels. Sie seien ihnen zufolge besonders gut für die Mobilitätswende geeignet, weil sie bei Autos mit Verbrennungsmotoren zum Einsatz kommen können. Dadurch soll es möglich sein, einen nachhaltigen Treibstoff zu nutzen, ohne sämtliche bestehenden, „klassischen“ Fahrzeuge durch E-Autos austauschen zu müssen.

Und tatsächlich sind E-Fuels technisch gesehen klimafreundlicher als fossile Brennstoffe. Natürlich entstehen beim Prozess der Verbrennung, der bei E-Fuels unvermeidlich ist, CO2-Emissionen. Allerdings sollen sich diese durch die Verwendung von CO2 bei der Produktion ausgleichen lassen. „Die CO2-Emissionen sind im Prinzip in diesem Fall nicht neu, sondern stammen aus einer anderen Quelle. So ist es möglich, CO2 als Abfallprodukt aus der industriellen Produktion zu gewinnen und so für die Treibstoffproduktion zu nutzen“, so Schwarzer.

Wieso sind E-Fuels dann so polarisierend?

Klingt alles sehr gut, doch E-Fuels kommen mit einem großen Aber: Die Klimaschutzwirkung hängt nämlich stark vom für die Herstellung verwendeten Strommix ab. Kommt der Strom aus erneuerbaren Quellen oder Nuklearenergie und das CO2 stammt aus der Atmosphäre oder nachhaltig gewonnener Biomasse, können Verbrennungsmotoren mit E-Fuels klimaneutral betrieben werden. Allerdings verschlechtert bereits ein geringer Anteil fossilen Stroms die Klimabilanz erheblich, und bei größeren Anteilen fossilen Stroms übersteigen die Emissionen von E-Fuels sogar diejenigen von fossilen Brennstoffen um ein Mehrfaches.

Ein weiteres Problem ist, dass E-Fuels derzeit noch sehr teuer sind und noch bei Weitem nicht in dem Maßstab hergestellt werden, in dem sie global einsetzbar sein können. Darüber hinaus wäre für Produktion auf diesem Level nicht nur ein massiver Ausbau von entsprechenden Anlagen nötig, sondern auch wesentlich mehr Anlagen für Ökostrom. Es könnte sehr schwer werden, diesen Ausbau über die nächsten Jahrzehnte effektiv umzusetzen. E-Fuels könnten sich sogar zu einem „Hindernis für die Verkehrswende“ entwickeln, meinen Forscher:innen des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI). Gerade bei Pkw und Lkw seien sie nicht der richtige Weg. Der ökonomische Aufwand, um die Produktion des Treibstoffs zu skalieren, sei zu hoch. E-Fuels seien wesentlich umweltschädlicher als gewöhnliche E-Mobilität, die „Kosten für die CO2-Vermeidung“ bei E-Fuels betrage rund 1.000 Tonnen CO2, außerdem würden auch beim Verbrennen Stickoxide, Feinstaub und Kohlenmonoxid anfallen.

Einsatzmöglichkeiten für synthetische Kraftstoffe sehen die Forscher:innen im Stahlsektor, in der Chemie, in Raffinerien und im internationalen Flug- und Schiffsverkehr. Die Förderung von E-Fuels im Straßenverkehr könne sich allerdings negativ auf die Verkehrswende auswirken und sei „derzeit ökologisch und wirtschaftlich nicht zielführend“.

Wie schneiden E-Fuels gegenüber E-Autos ab?

Um es kurz zu sagen: Nicht gut. Ein Elektrofahrzeug verursacht laut Transport and Environment rund 53 Prozent weniger CO2-Emissionen als ein Verbrenner mit synthetischen Kraftstoffen. Die direkte Elektrifizierung ist laut ISI bis zu fünfmal effizienter auf die Stromnutzung bezogen im Vergleich zu E-Fuels. Dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung zufolge verbraucht ein Pkw mit dem synthetischen Kraftstoff fünfmal mehr Energie als ein Elektroauto. Der Bedarf an erneuerbarer Energie für die Produktion ist dem ADAC zufolge außerdem höher, als würde der Strom direkt zum Laden eines E-Autos verwendet.

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Werden E-Fuels in Zukunft erlaubt sein?

Um die E-Fuels wird in der EU gerade heftig debattiert. Zur Erinnerung: Das Aus für Verbrennungsmotoren im Jahr 2035 ist eine beschlossene Sache. Darauf haben sich EU-Parlament, Kommission und die Mitgliedstaaten geeinigt. Jedoch haben Österreich und Deutschland ein Veto eingelegt. Ein Streitpunkt, der bis heute noch nicht restlos geklärt ist, sind die E-Fuels. Vor allem Österreich und Deutschland fordern, dass Autos mit Verbrennungsmotor auch in Zukunft noch zugelassen sein sollen, sofern sie mit E-Fuels fahren. Die endgültige Entscheidung steht bis jetzt noch nicht, allerdings sollte es auch nach 2035 voraussichtlich noch möglich sein, Autos mit Verbrennungsmotoren zu verkaufen, solange sie E-Fuels tanken können. Nachhaltig oder nicht, die E-Fuels scheinen so schnell nicht wieder aus der Mobilität zu verschwinden.

Werden E-Fuels in Zukunft leistbar sein?

Eines der größten Probleme von E-Fuels außerhalb ihres Klimaabdrucks ist ihr Preis. Laut dem Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung wird selbst nach Erreichung von signifikanten Kostensenkungspotenzialen für 2050 noch ein Preis zwischen 1,20 Euro und 3,60 Euro pro Liter für E-Fuels erwartet – zuzüglich Kosten für Steuern, Abgaben, Gewinnmargen, Vertrieb sowie für Forschung- und Entwicklung. Allein Steuern und Abgaben dürften den Literpreis bereits um einen Euro verteuern. Zum Vergleich: Der Literpreis für fossile Kraftstoffe ohne Steuern und Abgaben liegt aktuell bei ca. 0,60 bis 0,70 Euro pro Liter.

Bewertet man die Kosten für den Klimaschutz, so liegen die CO2-Vermeidungskosten bei Pkw mit E-Fuels in 2030 bei ca. 1000 Euro pro Tonne CO2 und damit um ein Vielfaches über denen der Elektromobilität oder anderer Klimaschutzmaßnahmen. Diese Zahlen sprechen massiv gegen E-Fuels, doch Stephan Schwarzer gibt zu bedenken, dass die Technologie derzeit noch in einer sehr frühen Entwicklungsphase steckt. Er ist optimistisch, dass die E-Fuels in Zukunft wesentlich günstiger werden, wenn die Skalierung der Treibstoffe glückt.

Wer produziert E-Fuels heute?

Natürlich müssen E-Fuels auch irgendwo herkommen, um die Mobilität von Morgen mitzugestalten. Es gibt einige Firmen, die sich auf diesen Kraftstoff spezialisiert haben. Ein Vorzeige-Exemplar ist Sunfire aus Dresden. Dieses Jungunternehmen war ursprünglich vor allem für Wasserstoff-Energie bekannt. Das Startup hat aber im Jahr 2020 einen entscheidenden Schritt in Richtung E-Fuels gemacht. Bis dahin war die Produktion von E-Fuels vor allem auf kleinere Testprojekte beschränkt. Sunfire hat ab 2020 begonnen, mit europäischen Partnern in Norwegen die erste Anlage zur Produktion von synthetischen Kraftstoffen im industriellen Maßstab zu bauen.

Doch auch etablierte Konzerne setzen zunehmend auf E-Fuels. Beispielsweise arbeitet der Autokonzern Porsche an dem Treibstoff. Vor allem aber für Ölkonzerne, die mit den Verboten von fossilen Brennstoffen in Bedrängnis geraten, könnten E-Fuels die „Rettung“ sein. Wenig überraschend ist daher, dass Unternehmen wie ExxonMobil, ENAP, Enel, Empresas Gasco sowie auch die OMV erste Aufträge in diesem Bereich gestartet haben.

Haben E-Fuels trotz Umstellung auf ­E-Mobilität Zukunft?

Eine wichtige Frage bei E-Fuels ist, ob sie auch dann zum Einsatz kommen können, wenn es mehr E-Fahrzeuge gibt und Verbrennungsmotoren aus dem Spiel sind. Stephan Schwarzer ist der Meinung, dass die Kraftstoffe nicht obsolet werden, da Verbrennungsmotoren noch sehr lange zum Einsatz kommen könnten. „Es gibt noch viele Länder und Regionen, die gar keine Vollversorgung mit Strom haben. Hier wird es sicher noch sehr lange dauern, bis eine Umstellung auf Elektroautos möglich ist. Deswegen ist es von großer Bedeutung, dass wir jetzt nicht nur auf E-Autos setzen, sondern auch andere Zukunftstechnologien wie E-Fuels fördern. Es ist viel realistischer, mit ihnen die Mobilitätswende zu schaffen als ohne sie“.

Dieses Interview stammt aus unserem Magazin „Unter Strom 2023“ mit Schwerpunkt auf E-Mobilität. Das rund 70-seitige Magazin steht hier kostenlos zum Download parat.

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