Interview

Köstinger über Breitbandausbau und 5G: „Für viele Startups ist es einfach irrelevant, wo sie sind“

Ministerin Köstinger auf dem MWC. © Hillebrand
Ministerin Köstinger auf dem MWC. © Hillebrand
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„Generell wollen wir im Breitbandausbau vorankommen und vor allem die unterversorgten Regionen endlich mit schnellem Internet versorgen“, verspricht Telekomministerin Elisabeth Köstinger im Gespräch mit Trending Topics im Rahmen des MWC. Eine flächendeckende Versorgung mit 5G bis 2025 hält sie für machbar, geschafft sei damit aber noch nichts. Vielmehr soll der Staat investieren: 1,4 Milliarden Euro für den Breitbandausbau, 30 Millionen Euro für neue Anwendungen im 5G-Bereich. Außerdem spricht Köstinger über den Datenschutz in Österreich, durch Corona digitalisierte Schulen, Facebook und die 5G-Skepsis in der Bevölkerung.

Trending Topics: Sie sind das erste Mal auf dem MWC in Barcelona. Was haben Sie im Gepäck?

Elisabeth Köstinger: „Generell wollen wir im Breitbandausbau vorankommen und vor allem die unterversorgten Regionen endlich mit schnellem Internet versorgen. Vor allem in Zeiten der Pandemie haben wir ja einen komplett umgekehrten Trend erlebt. Früher hat es die Landflucht in die Stadt gegeben, seit zwei Jahren sehen wir einen extremen Zuzug im ländlichen Raum – durch Home Office und Home Schooling. Auch für viele Startups ist es einfach irrelevant, wo die sind. Das bedeutet für einen klaren Auftrag: Schnell und breitflächig schnelles Internet auszubauen. Wir haben 1,4 Milliarden Euro dafür zur Verfügung. Wir haben gleichzeitig das Telekommunikationsgesetz neu geschrieben, haben die Breitband-Richtlinien neu aufgestellt und gehen jetzt ganz stark dahin über, dass wir Startups und Unternehmen fördern, die Anwendungen entwickeln, die mit vielen Daten und schnellem Internet agieren. Das betrifft etwa den Bereich Telemedizin, Virtual Reality, aber auch Campus-Netzwerke. Das Feld ist de facto unendlich erweiterbar.

Stichwort Telemedizin: In Österreich gibt es sehr strenge Regeln, nicht alle Startups sind damit glücklich. Ist angedacht, regulatorisch hier einzugreifen und die Sache zu vereinfachen?

Datenschutzrechtliche Themen sind in Österreich aufgrund der sehr, sehr strengen Auslegung natürlich nach wie vor der große Hemmschuh, auch bei der Entwicklung. Da sind wir mit dem Justizministerium, das dafür zuständig ist, in Kontakt und wollen auf jeden Fall auch praktikable Lösungen. Es geht ja auch nicht darum, irgendwie Personenrechte leichtfertig aufzuheben, sondern, dass man die neuen Möglichkeiten, die vor allem eben auch im Pflegebereich Chancen bieten, mehr Effizienz bieten und die Lebensqualität der Menschen erhöhen, auch nutzt.

Das Thema ist – wie allgemein bekannt – sehr umstritten.  Jeder will schließlich die Macht über die eigenen Daten behalten. Gibt es überhaupt eine Lösung, mit der alle zufrieden sein können?

Ja, aber all diese Menschen sind zu 99,9 Prozent auf Facebook angemeldet und haben mit einem unfassbar leichtfertigen Klick de facto ihr ganzes Leben auf einen amerikanischen Server geliefert. Ich glaube, dass Datenschutz an oberster Stelle stehen muss, und das vor allem auch die Transparenz im Umgang mit Daten, die Datenhoheit dann immer bei jedem und jeder Einzelnen liegen muss, das ist vollkommen klar. Aber wenn man sich anschaut, wie sich die anderen Anwendungen weiterentwickelt haben, so passiert das mittlerweile in verschlüsselter Form. Es gibt mittlerweile viele verschiedene Lösungen für das Problem, so dass die Einzelperson (hinter den Daten, Anm.) einfach nicht mehr nachvollziehbar ist.

Dafür braucht es aber den Grundwillen in der Bevölkerung, etwa medizinische Daten zu teilen. Auch andere Themen dürften die Österreicher:innen hinsichtlich Datenschutz umtreiben, das war ja auch etwa beim Zusammenschluss von Facebook und WhatsApp zu sehen.

Ja, nur oftmals in die falsche Richtung. Ich halte ja auch den Bereich der sozialen Netzwerke, die nicht in der Hand der Europäer sind, deswegen auch nicht unseren Datenschutzrichtlinien unterliegen, für viel sensibler als beispielsweise den Bereich der Telemedizin. Da geht es ja vornehmlich darum, einem Menschen etwa einen Tumor-Experten zur Verfügung zu stellen, der in den USA sitzt und nicht an der Uniklinik in Wien. Darum geht es ja – das vor allem bei den Gesundheitsdaten eine hohe Sensibilität gegeben ist, das ist klar. Aber es geht hier ja auch um die Möglichkeit der Anwendung von unbegrenzt vielen Lösungen für die Probleme der Menschheit. Das eine bringt dir einen Werbealgorithmus für Turnschuhe, weil du einmal irgendwo etwas gesucht hast, da ist man extrem leichtfertig. Das andere kann möglicherweise Leben retten, da gibt es Ängste, die Daten zu teilen.

Was kann man machen, um dahingehend Aufklärung zu betreiben?

Es muss vor allem von politischer Seite einen Willen geben.

Wenn die Regularien stehen, wird es also auch angenommen?

Ich glaube, Facebook und Instagram und Co zeigen das, ja. Das ist ja alles auch eine Frage des Nutzens. Die Chance, dass ich einen stark spezialisierten Arzt für meinen seltenen Tumor brauche, ist geringer als beispielsweise die Chance, alte Schulfreund:innen auf Facebook zu finden. Von dem her ist es schon nachvollziehbar, was wie genutzt wird, aber das behindert uns natürlich auch ein wenig in der Entwicklung.

Sie sind als erste Ministerin hier vor Ort. Haben sich die Zeiten geändert?

Man muss dazu sagen, dass Österreich vor allem im Mobilfunkausbau immer schon gut war. Durch die Liberalisierung des Mobilfunknetzes war vieles ein Selbstläufer. Jetzt kommen wir in eine Phase, wo es einfach Giganetze braucht und die kannst du nicht mehr ohne öffentliche Hand über den Markt flächendeckend bauen. Wir haben die letzte 5G-Auktion auch so gestaltet, dass, wenn ein Telekombetreiber eine Lizenz ersteigert, er nur ein Drittel quasi in urbanen Räumen bauen darf und zusätzlich zwei Drittel er in unterversorgten Räumen bauen muss. Damit machen wir mit einem Schritt vorwärts eigentlich drei Schritte.

Wäre das nicht der Fall, geht jeder Betreiber erst einmal in den urbanen Bereich, wo er ja genug Business Cases hat. Wir überlegen uns da sehr viel, wie wir schneller in die Fläche kommen und es ist schon dem Umstand geschuldet, dass die Digitalisierung de facto in jedem Bereich Einzug gehalten hat. Durch die Corona-Pandemie hat der Druck nach Telearbeitsplätzen und Home Schooling zugenommen – aber es geht in der Gesellschaft gar nicht mehr nur mehr so darum, was in Zukunft sein wird, sondern was aktuell sein muss. Wir haben Regionen, da können Kinder ihre Schularbeiten nicht hochladen. In meiner Zuständigkeit hängt der Breitbandausbau sehr hoch, darum bin ich hier.

Die Pandemie war also der vielzitierte Digitalisierungstreiber?

Die Pandemie war zu einhundert Prozent ein Treiber. Wenn man sich rein nur anschaut, was im Bildungssystem in Österreich passiert ist: Das war der größte Schritt seit Einführung des gratis Schulbuchs. Das die Digitalisierung in den Lehrplan gekommen ist, und das vor allem die Schüler:innen jetzt flächendeckend mit iPads und Tablets ausgerüstet werden, das ist schon echt groß.

Direkt gefragt: Hat es dafür zwingend eine Pandemie gebraucht? Das Thema war ja davor schon bekannt.

Ich halte nicht viel von „Was-wäre-wenn“-Fragen. Auch in der Politik ist das Thema absolut angekommen und ich glaube, dass die Pandemie da ein absoluter Treiber der Innovation und der Digitalisierung war – und das jetzt auch bleiben wird. Viele der Meetings, die man früher per Flugzeug erreicht hat, kann man ja auch einfach online machen. Das wird künftig eine Mischform sein. Das Reisen wird zurückkommen, aber in einem reduzierten Maß aufs Notwendige.

Die Verschiebung ins Internet funktioniert aber nur, wenn das Netz entsprechend ausgebaut ist. In Österreich gibt es gerade bei 5G noch einige Skepsis.

Ja, Dazu muss man sagen, wir hatten das selbe mit 3G, mit 4G und jetzt auch mit 5G. Das ist immer ein ähnlicher Personenkreis. Wir nehmen das sehr ernst und auch hier gilt, vor allem was die Technologie betrifft, es muss eine wissenschaftliche Evidenz geben. Wir haben dazu einen wissenschaftlichen Beirat eingerichtet, der wirklich alles an wissenschaftlichen Daten zusammen sammelt und eine Expertise aufbereitet. Wir nehmen das sehr ernst und versuchen, wirklich eine wissenschaftlich klare Evidenz zu haben. Das Zweite, was wir gemacht haben, war eben über die RTR (Regulierungsbehörde, Anm.) ein sogenanntes Gemeindeservice aufzubauen, das vor allem Bürgermeister:innen berät. Da kommen Mitarbeiter:innen dann in die Gemeinden, und erklären, welche Technologie da dahinter steckt, wie das funktioniert und was eventuell Risiken und Gefahren sein können.

Schaffen wir 100 Prozent 5G-Abdeckung bis 2025?

Das können wir schaffen, ja. Wir sind jetzt bei etwa 70 Prozent, zumindest in den urbanen Regionen und haben auch noch den Glasfaserausbau. 5G hat den Vorteil, dass genau der letzte Kilometer damit überbrückt werden kann – ohne zu graben. Das ist oft das teure: Das Glasfasernetz selbst kostet nicht viel, das Graben und die Instandhaltung sind die großen Themen. Insofern ist jeder Kilometer, den wir über Funk bewältigen können, natürlich super.

Österreichische 5G-Startups sollen mit 30 Millionen Euro gefördert werden

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