Neue Gesellschaftsform

FlexCap: Warum sich die Notar:innen weiter am Tisch sitzen sehen

© Aymanejed on Pixabay
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Im März war der lange erwartete Entwurf für eine neue Gesellschaftsrechtsform für Österreich, mittlerweile FlexCo oder FlexCap getauft, endlich da. Die FlexCap soll das Gründen von und Investieren in junge Unternehmen erleichtern und die Beteiligung von Mitarbeiter:innen an Startups vereinfachen. Jedoch waren die Reaktionen aus der Startup-Welt alles andere als begeistert (Trending Topics berichtete).

Ein besonders strittiger Punkt bleibt das Notariat. Grundsätzlich ist geplant, dass es abgesehen von Ein-Personen-Unternehmen weiterhin den Notariatsakt braucht, um zu gründen, was mit Aufwand und Kosten verbunden ist. Auch bei Änderung des Gesellschaftsvertrages oder Kapitalerhöhung und -herabsetzung soll es die notarielle Beurkundung weiter brauchen.

Startup-Aufstand gegen die geplante Gesellschaftsrechtsform FlexCo

 

Nun fordert das Wirtschaftsministerium im Rahmen der FlexCap immer noch den Entfall der verpflichtenden notariellen Einbindung. Viele Founder würden diese Maßnahme sehr begrüßen.

Doch mit dem Verzicht auf Notar:innen würden Startups langfristig einen Fehler machen, meint Maria Thierrichter, Vertreterin der Österreichischen Notariatskammer (ÖNK). „Natürlich wollen sich viele Gründer:innen zu Anfang nicht mit rechtlichen Belangen aufhalten. Doch die notarielle Einbindung kann ihnen zu einem späteren Zeitpunkt noch wesentlich größeren rechtlichen und bürokratischen Aufwand ersparen“, so Thierrichter im Gespräch mit Trending Topics.

„Notariat trägt zu Transparenz bei“

Bei der Gründung sind Notar:innen vor allem dafür verantwortlich, die relevanten Verträge zu errichten und zu beurkunden, sowie die Unterlagen beim Firmenbuchgericht einzureichen. Viele Founder stören sich jedoch an der Pflicht dazu. In anderen Ländern wie Großbritannien besteht so eine Gesetzeslage nicht, was schnelle Gründungen dort deutlich mehr begünstigt. „Der Notariatsakt trägt dazu bei, dass der Standort Österreich bei Transparenz und der Verfügbarkeit von Dokumenten so gut aufgestellt ist wie kaum ein anderer Staat“, argumentiert Maria Thierrichter dagegen.

Im Jahr 2020 ließ das Wirtschaftsministerium von CMS Reich‑Rohrwig Hainz Rechtsanwälte und Herbst Kinsky Rechtsanwälte ein Gutachten zur neuen Gesellschaftsrechtsform, damals noch Austrian Limited genannt, anfertigen. Das Gutachten besagt, dass „die Übertragung von Anteilen in Form eines schriftlichen Vertrages ohne die Einhaltung einer notariellen Beurkundung oder Errichtung eines Notariatsakts“ völlig ausreichend ist. Viele Rechtsexpert:innen stimmten dem zu.

Thierrichter entgegnet dem, dass zu diesem Zeitpunkt die digitale notarielle Einbindung noch nicht so etabliert war wie heute, nach zwei Jahren Corona-Pandemie. Notariatsakte ließen sich leicht online durchführen. Deswegen seien die Kosten und Mühen bei diesem Prozess nicht mehr so hoch. Allerdings sind sie für viele Founder dennoch immer noch zu hoch, weswegen die Notariatspflicht bei ihnen oft sehr unbeliebt ist.

„Rosenkrieg“ zwischen Foundern vermeiden

Ein wichtiges Argument für das Notariat ist laut Thierrichter die Fairness. Grundsätzlich sollen Founder mit der vom Wirtschaftsministerium geforderten Version der FlexCap die rechtlichen Prozesse selbst oder mit Anwält:innen regeln können. Allerdings seien Anwält:innen, anders als Notar:innen, parteiisch. Sie würden nur jeweils eine Partei vertreten und für deren Vorteil arbeiten, während Notar:innen dafür sorgen, dass die Verträge fair und rechtskonform sind.

Mitarbeiter:innenbeteiligung? Verschollen zwischen den Ministerien

„Wir repräsentieren sowohl die Interessen der Gründer:innen als auch der Investor:innen. Gerade Startups, die am Anfang stehen, können wir in vielen Bereichen unterstützen. Gründer:innen glauben oft, sie werden sich nie untereinander streiten. Notar:innen bieten aber hier eine Absicherung. Es ist wie bei einem Ehevertrag, den Founder unterschreiben, um später einen Rosenkrieg zu vermeiden.“

Notariatskammer bietet „Gründerpaket“

Die Österreichische Notariatskammer (ÖNK) stellt sich erwartungsgemäß entschieden gegen die Abschaffung der Notariatspflicht bei der Gründung. Die ÖNK will deren Image verbessern und bietet ein eigenes „Gründerpaket“ an. Anhand einer Zehn-Punkte-Checklist sollen Founder mit den Notar:innen die wichtigsten rechtlichen Fragen besprechen, darunter zum Gesellschaftsvertrag oder dem Stammkapital. Die Erstberatung soll dabei kostenlos sein, erst bei konkreten Vertragsaufsetzungen folgen Kosten. Diese sollen je nach Unternehmensgröße flexibel sein. Kleinere Startups können laut Thierrichter hier mit niedrigen vierstelligen Beträgen rechnen.

Das Notariat könne verschiedene Gründungszwiste verhindern, zum Beispiel was die Kündigungsrechte einzelner Gesellschafter:innen anbelangt. So ließe sich unter anderem verhindern, dass die Gründer:innen rechtlich zu stark aneinander gefesselt sind, aber auch, dass jemand zu einem unpassenden Zeitpunkt abspringt. Beim Verkauf der Anteile könne das zu einem späteren Zeitpunkt langwierige und kostspielige rechtliche Konflikte vermeiden. Auch beim Wachstum könne das Notariat unterstützen und hat eine Sieben-Punkte-Checkliste dafür angefertigt.

Rechtliche Verpflichtung zu Notariat unpopulär

Bei vielen Kleinigkeiten würden laut Thierrichter viele Founder gar nicht wissen, wie viele Probleme eine unbedachte Entscheidung später auslösen kann. Das beginne bereits bei der Auswahl der Gesellschaftsform. So würden immer wieder Firmen als GmbHs starten, nur um nach kurzer Zeit wieder zu schließen, weil das Konzept für das Unternehmen zu mühsam und teuer ist. Auch der Firmensitz müsse sehr vorsichtig gewählt werden. Denn bei einer späteren Änderung müsse eine Generalversammlung stattfinden.

FlexCo: Wirtschaftsministerium vermisst “zentrale Punkte”

Genau diese Fehler soll die Notariatspflicht vermeiden. Doch viele Founder sehen die Relevanz von Notar:innen bei der Firmengründung als nicht hoch genug, um eine rechtliche Verpflichtung zum Notariatsakt zu rechtfertigen. Das ist einer der Hauptgründe dafür, warum der aktuelle Entwurf zur FlexCap so wenig Zustimmung findet. Deshalb hat das vom Wirtschaftsministerium eingesetzte Startup-Komitees diesem eine klare Abfuhr erteilt.

Noch ist natürlich nichts völlig entschieden. Im Justizministerium von Alma Zadić (Grüne) hofft man nun darauf, dass die parlamentarische Begutachtung bald beginnen kann. Jedoch ist mit viel Widerstand zu rechnen, unter anderem aus dem Wirtschaftsministerium von Margarete Schramböck (ÖVP). Das Startup-Komitee bemüht sich auch, Zadić davon zu überzeugen, den aktuellen Entwurf noch einmal bearbeiten zu lassen. Dieser sei „ein erster kleiner Schritt in die richtige Richtung, aber weder der erwartete große Sprung für unseren Standort Österreich noch für unsere ambitionierten Gründer:innen, Mitarbeiter:innen und Investor:innen.“

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