Interview

Finanzminister Brunner zum Startup-Paket: „Irgendwo muss es eine Grenze geben“

Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP). © BMF
Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP). © BMF

Es war ein langes Ringen zwischen Schwarz und Grün, mit vielen Interventionen seitens der Kammern und vielen erregten Diskussionen in der Startup-Szene: Nun aber liegen die Gesetzesentwürfe zur neuen Gesellschaftsrechtsform FlexKap (Flexible Kapitalgesellschaft) und zur Neugestaltung der Beteiligung von Mitarbeiter:innen am Tisch. Ersteres wollten die Grünen, Zweiteres die Schwarzen – und nun stellt sich die Frage, wie dieses neu geschnürte Startup-Paket, das bereits 2020 versprochen wurde, von Unternehmer:innen angenommen wird.

Trending Topics: Herr Minister, 3 Jahre, mehrere Ministerien, viele viele Meinungen. Was steht jetzt unterm Strich da – Kompromiss oder großer Wurf?

Magnus Brunner: Gute Frage. Ganz klar: Das Paket ist ein großer Wurf. Wir haben an wichtigen Schrauben gedreht, um unseren Standort für Startups noch attraktiver zu machen.  Ja, es hat jetzt zwei Jahre gedauert, aber es war von vornherein klar, dass es da unterschiedlichste Meinungen gibt. Wichtig war, die Wünsche und Bedürfnisse der Startups zu berücksichtigen und etwas ganz konkret für diese Startup-Szene zu machen. Da sind Vereinfachungen bei administrativen Hürden herausgekommen, also die flexible Kapitalgesellschaft, und dann steuerliche Erleichterungen, und das war eben auch die Schwierigkeit. Es gab unternehmensrechtliche Voraussetzungen auf der einen und steuerrechtliche auf der anderen Seite. Die zwei zu verknüpfen, war die Herausforderung. Auch die Praxis musste mit einbezogen werden, die Sozialpartner, und man musste Rechtssicherheit schaffen.

Ja, ich glaube, dass es ein großer Wurf ist, der in der Szene, so weit die Rückmeldungen, sehr gut angenommen wird. Aber natürlich hat man immer Luft nach oben. Es gibt immer unterschiedliche Meinungen, und unser Job ist es, zumindest alle Meinungen mit in die Überlegungen einfließen zu lassen.

Fangen wir bei der FlexKap an: Was ist der wesentliche Unterschied zur GmbH, warum sollten sich Unternehmer:innen dafür entscheiden?

Es ist natürlich wesentlich einfacher und flexibler, und es ist eine wesentliche steuerliche Erleichterung. Wir haben die Mindest-KöSt gesenkt. Auf den ersten Blick ist das vielleicht nicht wahnsinnig viel, aber wir gehen um fast 70 Prozent runter. Das ist insbesondere für den Startbereich wichtig, weil da jeder Tausender an Entlastung in andere Dinge investiert werden kann, vom Drucker bis zum iPad. Das ist eine Entlastung für den gesamten Standort von 50 Millionen Euro, und das ist schon, finde ich, beeindruckend.

Mitarbeiter:innenbeteiligung soll für maximal 100 Team-Mitglieder kommen

Was denken Sie, wie viele werden dann noch eine GmbH gründen, wenn die FlexKap einfacher und billiger ist?

Wir müssen das jetzt unter die Leute bringen, es ist ganz entscheidend zu kommunizieren, welche Vereinfachungen, Entlastungen und Vorteile daraus entstehen. Eine Zahl nennen, ist schwierig, das hängt viel von der Kommunikation ab. Mit der FlexKap schaffen wir nun eine neue, flexible Möglichkeit und erfüllen damit einen Wunsch der Branche.

Notar:innen sind bei der FlexCap nicht mehr zwingend notwendig. Bei der Übertragung von Unternehmenswert-Anteilen etwa braucht es keinen Notariatsakt mehr. Wir wissen, dass die Notariatskammer im Vorfeld intensiv lobbyiert hat. Wie konnte man sich dazu durchringen, sie zurückzudrängen?

Grundsätzlich liegt diese Thematik in der Zuständigkeit der Justizministerin. Bei der Gründung bleibt der Notar die zuständige rechtliche Stelle. Ich glaube nicht, dass es um Zurückdrängen geht, sondern um flexiblere Lösungen, um Vereinfachungen, um administrative Hürden abzubauen, aber trotzdem, und das nehmen wir sehr ernst, Rechtssicherheit zu gewähren. Deswegen haben wir uns in dem Bereich für die anwaltlichen Urkunden als zusätzliche Möglichkeit entschieden, um hier breiter zu werden. Wir werden uns im Begutachtungsprozess rechtliche Sorgen ernst nehmen und adressieren. Momentan sagen uns alle Expert:innen, dass das ein guter Schritt Richtung Vereinfachung ist.

Austria Limited: Notare lobbyieren für Verbleib im Gesellschaftsrecht

Das Mindeststammkapital von 10.000 Euro soll auch für die GmbH gelten.

Wenn man das Mindeststammkapital runter setzt, dann wird auch die Körperschaftssteuer runtergesetzt. Wir senken damit die Mindest-KöSt um zwei Drittel. Bisher hat die Mindest-KöSt 1.750 Euro betragen, jetzt gehen wir auf 500 Euro runter. Das ist VOR ALLEM für Neubeginner eine gewisse Entlastung.

Kommen wir zu den Mitarbeiter:innenbeteiligungen. Bitte ein Praxisbeispiel: Eine Firma beteiligt einen Mitarbeiter mit einem Anteil von 5%. Wie viel und wann zahlt der dann welche Steuer dafür?

Jetzt wird es komplexer. Sagen wir, das wird im Gründungsjahr gemacht. Bisher hat man eine Bewertung vom Unternehmen gemacht, und der Mitarbeiter ist für seine Anteile mit dem so genannten “Dry Income” belastet worden. Da hat er für etwas, wo noch kein Geld geflossen ist, Steuern gezahlt. Das ist aus meiner Sicht unfair. Deswegen soll die Besteuerung künftig nicht zum Zeitpunkt der Übergabe der Anteile passieren, sondern erst, wenn der Mitarbeiter die Anteile veräußert. Also beispielsweise, wenn das Unternehmen nach acht Jahren veräußert wird, erhält ein Mitarbeiter 60.000 Euro, dann erfolgt die Besteuerung zu diesem Zeitpunkt. Dann wird das besteuert, und zwar zu drei Viertel mit dem normalen KESt-Satz von 27,5 Prozent, und für das letzte Viertel mit dem normalen Einkommenssteuersatz. Das hat auch verfassungsrechtliche Gründe, es ist eine Mischung aus Einkommen auf der einen und Vermögen auf der anderen Seite.

Diese neuen Regeln für Mitarbeiter:innenbeteiligung sind mit Einschränkungen verbunden und gelten nur für Firmen mit bis zu 100 Mitarbeiter:innen, bis zu 10 Jahren Firmenalter, bis zu 40 Millionen Euro. Das schließt etwa einige ältere, größere Scale-ups aus. Warum diese Grenzen?

Es wurde ein Mittelwert von Klein- und mittleren Unternehmen laut EU-Definition genommen. In Deutschland ist die Zahl höher, da liegt sie bei 250, dafür ist man bei der Anwendung strenger, etwa bei bestimmten Fristen. Bei der Anwendung ist Österreich besser. Am Schluss muss man sich auf einen Wert einigen.

Aber Mitarbeiter:in Nummer 101 kann nicht beteiligt werden?

Nach dem jetzt vorliegenden Begutachtungsentwurf nicht, nein. Irgendwo muss es eine Grenze geben.

Muss man von der GmbH zur FlexKap wechseln, um die neue Regeln für Mitarbeiter:innenbeteiligungen machen zu können?

Nein, das kann man auch in der GmbH machen.

Ende 2022 gab es schlechte Noten für Ö im EU-Vergleich bei der Startup-Politik. War das Mitgrund, das Startup-Paket jetzt zu machen?

Ja, selbstverständlich. Diese Kritik muss man ernst nehmen, und wenn die Szene uns sagt, dass wir gegenüber anderen europäischen Staaten unser Standort benachteiligt ist, muss man reagieren. Deswegen haben wir uns damit in den letzten Monaten intensiv damit beschäftigt. Wenn man sieht, dass wir in manchen Bereichen zurückfallen, dann muss man reagieren. Das haben wir mit diesem Paket versucht.

Wann wird dieses Paket in Kraft treten?

Die Begutachtung dauert 6 Wochen, also bis in den Sommer hinein. Danach kommt es, aller Voraussicht nach im Herbst, ins Parlament und wird dort beschlossen – dafür genügt übrigens eine einfache Mehrheit. Das geplante Datum des Inkrafttretens ist der 1. Jänner 2024.

FlexKap: Notar:innen sitzen nicht mehr immer verpflichtend mit am Tisch

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