Rückblick

Zwischen Pivot und Konkurs: So ist es den heimischen Startups in der Krise ergangen

Backen mit Oma und Opa. © Vollpension
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2021 war, bedingt durch die Coronakrise, für Startups ein durchaus herausforderndes Jahr. Einige haben es dank eines Pivots erfolgreich hinter sich gebracht, andere hatten weniger Glück …

Mitten in der Krise, nämlich im April 2021, ist Bike Gorillaz gestartet, das E-Bikes bekannter Markenhersteller im Abo-Modell anbietet. „Mit am schwierigsten“, erinnert sich Mitgründer Arjun Ahluwalia, „war die fehlende Planbarkeit: Die Pandemie hatte weltweit Einfluss auf Produktionsprozesse und Logistikketten – Hersteller konnten uns keine verbindlichen Liefertermine für E-Bikes, Ersatzteile, Helme und Co nennen.“

Doch die Krise hat ironischerweise auch Gutes bereitgehalten: Mehr Menschen setzen auf Räder, hinzu kam der Trend zu nachhaltiger Mobilität. E-Bikes waren im stationären Handel rasch ausverkauft oder es mussten lange Wartezeiten in Kauf genommen werden, wodurch Bike Gorillaz zur attraktiven Alternative wurde: „Nicht nur, dass wir unser Lager frühzeitig mit unseren Marken-E-Bikes bestückt haben; sie werden innerhalb von 72 Stunden nach Bestellung fertig zusammengebaut geliefert. Nicht jedem war es in Zeiten von Kurzarbeit und mitunter unsicherer beruflicher Zukunft möglich, tausende Euros für ein E-Bike auszugeben. In unserem Abo-Modell aber sind die Kosten transparent und planbar.“

Bike Gorillaz: Wiener E-Bike-Startup expandiert in ganz Österreich

Creatorplattform für Köch:innen

Ein Recruiting-Service für Hotels und Restaurants war vor der Krise das Hauptgeschäft von Gronda, 2016 von Valentin Schütz, Juan Vicci und Tobias Zetschke gegründet. „Durch die Krise haben wir nicht nur keine Neukund:innen bekommen, bestehende Kund:innen konnten auch nicht bezahlen. Das war eine Schocksituation. Aber wir haben uns sehr schnell darauf eingestellt und angepasst“, erinnert sich Schütz zurück.

Der Pivot gelang mit einer Neuausrichtung: Schlüsselmoment war ein Besuch im Restaurant von Valentin Schütz’ Mutter. „Ich fragte sie, was sie den ganzen Tag macht und sie antwortete, dass sie Anrufe von Gästen beantwortet, die sie nach ihren Rezepten fragen. Wir fanden heraus, dass es für professionelle Köch:innen keine Möglichkeit gibt, Rezepte zu teilen oder zu monetarisieren. Das fanden wir absurd – und haben unsere bestehende Community für Köch:innen zu einer Creator-Plattform umgebaut.“ Momentan wächst Gronda vor allem in den USA. Für 2022 haben sich die Gründer vorgenommen, ihre Marke klar als Nummer 1 Creator-Plattform für professionelle Köch:innen weltweit zu positionieren.

Gronda & UserGems Founder im Gespräch: Wenn Startups den Pivot machen

An der Pandemie ­gescheitert

Neue Perspektiven wollten auch Klaudia Bachinger und Carina Roth mit WisR, einer Jobvermittlungsplattform für ältere Menschen, schaffen. Doch die durch Corona erzwungene Wirtschaftskrise mit hohen Arbeitslosenzahlen führte dazu, dass WisR eines der zahlreichen Startups ist, die es trotz eines innovativen Konzeptes und eines hochmotivierten Teams nicht geschafft haben. „Bei uns war es eine Kombination aus der veränderten Arbeitsmarktsituation durch Covid-19, einem großen Investment, das aufgrund von Corona auf den letzten Metern plötzlich abgesagt wurde, und der zu kurze Runway, um unser neues Produkt für Konzerne am Markt zu beweisen,“ sagt Klaudia Bachinger.

Ihr Learning aus 2021? Dass Produkt- und Finanzstrategie zusammenpassen müssen. Sie betont, dass man kaum einen zweiseitigen Marktplatz ohne siebenstellige Frühphasenfinanzierung aufbauen, oder ein Enterprise-Produkt in den Markt bringen kann, ohne die langen Verkaufszyklen von 18 Monaten vorfinanziert zu haben. „Außerdem lässt man sich durch Förderungen leicht dazu verführen, ein Produkt zu entwickeln, das der Markt nicht braucht. Das sind Fehler, die in ,erwachseneren‘ Startup-Ökosystemen weniger häufig passieren. Und mir sicher auch nicht mehr…“

WisR: Die Gründerinnen über das Ende des eigenen Startups

Das Ende des Weges

Auch Snooze gehört zu jenen, für die 2021 zum Schicksalsjahr wurde: Das 2017 in Salzburg gegründete Unternehmen, das sich auf aus natürlichen Zutaten gebraute Schlafgetränke spezialisiert hat, musste zu Beginn des Jahres Konkurs anmelden. Ebenso getroffen hat es die beiden Startups hiMoment und Grape. HiMoment, die App, die Nutzer:innen mithilfe eines „Glücksworkouts“ happy machen sollte, erreichte dies leider nicht bei ihren Gründern Christoph Schnedlitz und Jan Hruby: Nach drei Jahren des Bestehens musste das Unternehmen im Februar 2021 Insolvenz anmelden. Schnedlitz ist seit Dezember auch alleiniger Eigentümer der Marke und des Codes von hiMoment – das Projekt soll weitergehen, erklärt er.

Grape, die österreichischen Slack-Alternative, wurde die globale Krise ebenfalls zum Verhängnis – das einst so erfolgreiche Startup mit 500.000 User:innen meldete im November Insolvenz an, wie Co-Gründer Felix Häusler in einem Blog-Eintrag vermeldete: „Auch wenn wir 2020 unseren Umsatz verdoppelt haben, wurde uns nach und nach klar, dass sich der Markt während Covid (Microsoft und andere Wettbewerber) zu sehr verändert hat. Daher haben wir uns auf die Suche nach einem strategischen Exit gemacht und in diesem Jahr einen gefunden. Mit diesem Deal hätten wir unser Team verdoppelt, eine neue große Investition von bestehenden Investoren erhalten und unser Produkt um Telefonie-Funktionen erweitert.“ Das Term Sheet für diese Transaktion wurde erstellt, aber aufgrund externer Faktoren habe man die Transaktion nicht fortsetzen können.

Strategieschwenk

Es SaaS-Unternehmen (Software-As-A-Service) zu ermöglichen, auf Feedback zu hören und mit den Kund:innen im Mittelpunkt digitale Produkte zu bauen, ist die Mission von Usersnap, 2013 in Oberösterreich gegründet und mittlerweile mit Büros in Linz, Wien und San Francisco ausgestattet. „So schrecklich die Coronakrise per se ist, hat sie doch die Digitalisierung massiv angeschoben. Deshalb hat auch Usersnap, als B2B-SaaS-Startup mit weltweit mehr als 1.300 Kund:innen (darunter Microsoft, Airbus, Canva, Instacart, Lime, Anm.), einen Wachstumsaufschwung gehabt“, blickt CMO Klaus-M. Schremser auf 2021 zurück.

Den Schwenk in seiner Strategie hat Usersnap bereits vor drei Jahren eingeleitet, indem der Nischenbereich der Qualitätssicherung (QA) auf das Thema Kund:innenfeedback-Lösung gelenkt wurde. „Kund:innenfeedback auf digitalen Kanälen zu sammeln“, sagt Klaus.-M. Schremser, „wird immer wichtiger für viele Unternehmen und da die Digitalisierung während der Krise vorangetrieben wurde, hat sich unser Strategieschwenk sehr ausgezahlt.“

Usersnap: Warum das Linzer Startup einen Pivot macht

Millionen-Investment

Die digitalen Welten sind auch das natürliche Habitat von UserGems, dem Startup der Zwillingsbrüder Stephan und Christian Kletzl aus Salzburg. Das Konzept von UserGems, das mittlerweile sein Headquarter in San Francisco hat, ist ein Sales- und Marketing-Tool, das Unternehmen dabei hilft, den Kund:innen-Kontakt zu halten. „Als die Krise 2020 begonnen hat, haben wir uns schon gedacht, dass es jetzt für uns gefährlich werden könnte, denn wir haben zwei unserer ‚Top-drei‘-Kunden verloren“, sagt Stephan Kletzl. Anfang 2021 schließlich folgte die Wende: UserGems konnte zuerst ein zwei Millionen Euro- und schließlich im Herbst ein 17,2 Millionen Euro-Investment von prominenten VCs wie Tiger Global, Craft Ventures und Battery Ventures verbuchen. „Ich weiß nicht, ob ich uns zwangsläufig als Corona-Gewinner sehen würde, aber 2021 hatten wir eigentlich keine Nachteile durch Corona. Denn durch das große Investment im Herbst sind wir in die Series A gekommen.“ Der Grund für den Erfolg? „Wir sind in jedem Fall professioneller geworden – vom Sales bis zum Produkt selber. In den USA findet außerdem gerade ein großes Job-Wechseln in den Unternehmen statt. Davon profitiert UserGems auch“, so Stephan Kletzl.

Innovativ bleiben

Fitnessunternehmen wie Shaped by iB wird die Coronakrise mit ziemlicher Sicherheit noch länger beschäftigen, davon ist auch Co-Gründer Christian Szalay überzeugt. Zu Beginn der Krise war es für das Startup mit Standort am Wiener Badeschiff, das „High-Intensive Interval Training“ (HIIT) in Kleingruppen anbietet, relativ schwierig, da es kurz zuvor seinen größten Aufschwung erlebt hatte. „Wir mussten versuchen“, so Szalay, „so schnell wie möglich mit einem neuen Konzept neue Umsatzalternativen zu erschließen. Ein weiterer kritischer Faktor war die ständige Angst vor weiteren Lockdowns und neuerlichen Einschränkungen, die immer wieder kamen.“

Dank Kreativität und Schnelligkeit gelang schließlich der Pivot: „Der Grund für den Erfolg währen der Coronakrise war schlichtweg, dass wir relativ zügig unser Geschäft auf unsere digitale Online-Plattform verlegt haben und versucht haben, innovativ zu bleiben und den Markt mit neuen Dingen zu beleben. Zudem sind wir das Risiko eingegangen, nach dem dritten Lockdown den Umbau unseres zweiten Studios zu starten, um gerade in dieser kritischen Zeit einen weiteren Meilenstein zu setzen.“ Zukünftig soll die Marke Shaped by iB in Wien mit einem weiteren Studio ausgebaut werden. Ebenso vorstellen können sich die Gründer ein Franchise-System – „ob hierzulande oder im Ausland wird sich weisen.“

Optimistisch in die Zukunft

Eine Story mit Happy End gelang Hex im Jahr 2021. Das Kärntner Startup von Philipp Hungerländer schlitterte Ende 2020 in ein Konkursverfahren, was in vielen Fällen das Ende eines Unternehmens bedeutet. Nicht im Fall von Hex. Denn das Software-Unternehmen hatte, noch bevor die Insolvenz bekannt wurde, einen Staatspreis erhalten. Die Folge: Der ebenfalls aus Kärnten stammende Cloud-Anbieter Anexia konnte sich in einem Bieterverfahren durchsetzen – und integriert Hex nun in sein Unternehmen (wir berichteten).

Durch die zahlreichen Lockdowns 2021 besonders hart getroffen wurde auch die Gastronomie. Das spürte das Startup Vollpension, ein Kaffeehaus, in dem Senior:innen backen, besonders. „Uns war bereits 2020 klar, dass die Krise länger dauern wird. Deshalb haben wir ein Crowdfunding gestartet, bei dem innerhalb weniger Wochen 140.000 Euro zusammengekommen sind. In der Folge haben wir eine Online-Vollpension- Backakademie gegründet“, sagt Co-Gründerin Hannah Lux. Vorteil der mittlerweile internationalen „OMAsterclasses“ ist nicht nur das wirtschaftliche Überleben des Startups – es gibt auch einen wichtigen sozialen Aspekt. Denn dank der Kurse haben die vor allem in der Krise isolierten Senior:innen eine wichtige Aufgabe bekommen. Hannah Lux’ wichtigstes Fazit aus der Krise: „Dass man sich nicht von der Angst lähmen lässt, schnell ins Tun kommt und um die Ecke denkt.“

Vollpension: Neue Online-Backkurse mit Oma und Opa

Update: Wir haben den Artikel am 03.01. um eine Aussage von Christoph Schnedlitz ergänzt.
Text: Sandra Wobrazek
Diese Story stammt aus unserem neuen Magazin „Trending Topics 2022“. Es steht ab dem 29.12. zum kostenlosen Download bereit

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