Hintergrund

Talenthouse: Die Insolvenz von EyeEm ist nur die Spitze des Eisbergs

Roman Scharf & Talent House. © Talent House
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Vor etwa einem Jahr war die Welt noch in Ordnung. Da ging Talenthouse, eine Web-Plattform für die damals boomende Content-Creator-Industrie, unter viel Aufmerksamkeit an die Schweizer Börse SIX. Der Börsengang wurde durch eine Übernahme der bereits gelisteten Investmentfirma New Value in einem so genannten „Reverse Takeover“ bewerkstelligt. Die Aktie des neu geschaffenen Unternehmens schoss an diesem 29. März auf fast 1,4 Euro hoch – der Deal bewertet Talenthouse mit etwa 450 Millionen Dollar.

Ein Jahr später sieht es düster aus. Die Talenthouse-Aktie ist fast nichts mehr wert, am Dienstag wurden gerade noch 2 Cent für sieh an der Börse bezahlt. Parallel dazu verbreiten sich nun die Nachrichten, dass eine Tochterfirma Unternehmens mit Hauptsitz in London, nämlich der einstige Startup-Star EyeEm, vor dem Aus steht. Der 2011 gestartete Instagram-Konkurrent, der später zu einer mobilen Plattform für Profi-Fotografen werden wollte, hat Insolvenz angemeldet. EyeEm wurde wie berichtet erst 2021 von Talenthouse zugekauft, um satte 40 Millionen Dollar. Zuletzt machten sich Warnungen in Fotografen-Kreisen breit – die Firma würde seit Monaten keine Fotohonorare auszahlen.

Weitere Töchter werden nicht mehr weiter finanziert

Die EyeEm-Insolvenz ist das Symptom eines größeren Problems. Denn die börsennotierte Mutterfirma ist selbst in Schieflage geraten. Investor:innen der Firma rund um den Österreicher Roman Scharf, der auch den Later-Stage-Investor 3VC betreibt, wurden kürzlich über eine „umfassende Restrukturierung des Unternehmens“ informiert. Zuvor wurde festgestellt, dass „in einigen Talenthouse-Tochtergesellschaften erhebliche ausstehende Verbindlichkeiten, einschliesslich Gehältern, Steuern und Sozialversicherungen, in einer Höhe bestehen, die diese Tochtergesellschaften nicht decken können“. Betroffen sind neben EyeEm die Tochtergesellschaften Talenthouse Ltd, die TLNT Group, Zoopa.com und Jovoto. Für sie wurde beschlossen, sie „nicht länger zu finanzieren“ – sprich, sie in den Firmentod zu schicken.

Talenthouse, das ab 2009 von Amos Pizzey und Roman Scharf (nach dessen Exit seines Scale-ups Jajah an Telefonica) zu einem Online-Dienst für kreativen Content aufgebaut wurde, florierte viele Jahre lang. Irgendwann wurde dann die Entscheidung getroffen, das Ding an die Börse zu bringen, und es wurden sechs Firmen übernommen, um eine Art Mischkonzern für digitalen Content zu schaffen. 2019 wurden Zooppa (Plattform für Fotografen und Videoprofis) und Ello (Social Network für Kreative), 2021 dann vier weitere Unternehmen zugekauft. Neben Jovoto (Marketing), Quest und Coolabi (Content Creation für Kinder) wurde EyeEm zugekauft, und zwar um etwa 40 Millionen Dollar. EyeEm galt eine Zeit lang als europäische Alternative zu Instagram, doch die beiden Gründer Florian Meissner und Ranzi Rizk sind schon länger nicht mehr mit dabei.

Die Verluste von Talenthouse 2021 lagen bei 5 Millionen Dollar, 2020 bei 11,2 Mio. Dollar  – für 2022 sind die Zahlen noch nicht da. Sieht man sich den Aktienkurs von Talenthouse wird klar: Nach dem Börsenstart im März 2022 ging es nach einem „IPO-Pop“ stetig bergab, die THAG-Aktie verlor in der Zeit etwa 98 Prozent an Wert:

„Schwierige Entscheidungen waren notwendig“

Anfang 2023 ging es dann wieder ganz leicht bergauf, offenbar schöpfte man neue Hoffnung. So gab es Anfang 2023 tatsächlich noch den Plan, die 6 Mio. CHF Umsatz von 2020 auf über 30 Mio. CHF in 2023 aufbauen zu wollen. Ohne frischem Geld war das aber nich möglich, weswegen dann im März 2023 frische 25 Mio. CHF (Barmittel in Höhe von CHF 16 Mio. und Zusagen für die Umwandlung von Aktionärsdarlehen in Höhe von CHF 9 Mio.) zugeschossen werden mussten. „Mit einem Wachstum der Kreativwirtschaft von weiterhin jährlich 20% sehen wir vielfältige Möglichkeiten, unsere Position auf dem Markt zu verbessern. Diese Kapitalerhöhung wird uns vieles leichter machen. Wir werden das neue Kapital gezielt einsetzen, um unser Wachstum zu beschleunigen“, verlautbarte der damalige CEO, Clare McKeeve, noch öffentlich.

Nur: Clare McKeeve ist seit kurzem nicht mehr CEO des Unternehmens, und der Verwaltungsrat von Talenthouse hat beshclossen, das Investment-Geld nur mehr in jene Töchter zu stecken, „die nachhaltig arbeiten“ – namentlich das Coolabi-Geschäft (Content-Plattform für Fiction für Kinder). Nachdem McKeeve und Director Scott Lanphere aus dem Unternehmen gegangen wurden, hat nun wieder der Österreicher Roman Scharf das Ruder in der Hand. „Die heutigen schwierigen Entscheidungen waren notwendig, um unsere wichtigsten Geschäftsbereiche zu erhalten und zu stärken und gleichzeitig die zugesagten Mittel aus der Finanzierungsrunde sorgfältig einzusetzen“, so Scharf in einer Aussendung.

Demnächst sollen neue Geschäftsführer:innen im Unternehmen eingesetzt werden. An der Börse wird es zu weiteren ungemütlichen Zeiten kommen. Denn die Abschlussprüfung von Talenthouse wird sich verzögern, weswegen eine Verlängerung der Veröffentlichungsfrist für die geprüfte Jahresrechnung an der SIX Swiss Exchange beantragen werden musste. Da bleibt zu hoffen, dass die Zusagen von bestehenden und neuen Investoren für die Umsetzung der Restrukturierung bestehen bleiben.

Roman Scharfs Talenthouse geht an die Börse – und kaufte EyeEm

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